Magnus Jonson 02 - Wut
graben.«
»Lass es«, sagte Ollie.
»Was meinst du damit?«
»Ich möchte das nicht.«
»Aber ich muss es wissen! Wir müssen es wissen.«
Schweigen am anderen Ende.
»Ollie?«
»Magnus.« Er hörte, wie die Stimme seines Bruders brach. »Ich bitte dich, Mann. Ich flehe dich an. Lass es einfach sein.«
»Warum?«
»Hör zu, du hast da eine fixe Idee, Magnus. Es war ja noch in Ordnung, als du dich in Amerika umgehört hast. Aber ich komme nicht damit klar, wenn du den ganzen Dreck von Bjarnarhöfn wieder aufwühlst. Das ist begraben, und zwar aus gutem Grund.«
»Ollie?«
»Ich habe fast mein ganzes Leben, über zwanzig Jahre lang, versucht, diesen Ort zu vergessen, und weißt du was? Ich habe es so gut wie geschafft. Was mich betrifft, kann er also gern vergessen bleiben.«
»Aber, Ollie …«
»Und falls du etwas herausfindest, erzähl es mir einfach nicht, ja?«
»Hör zu, Ollie …«
»Bye, Magnus.«
Fünf Minuten später klingelte sein Telefon erneut. Es war Ingileif, die ihn zu sich einlud. Sie wollte etwas kochen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie, als er in ihrer Wohnung eintraf. »Irgendwas stimmt doch nicht.«
»Habe gerade mit meinem Bruder telefoniert.«
»Und?«
»Ich hab ihm erzählt, was wir am Wochenende herausgefunden haben. Über meinen Vater. Und meinen Großvater.«
»Und?«
»Und er hat noch weniger Lust als ich, sich damit zu beschäftigen.«
Magnus merkte, dass Ingileif etwas sagen wollte, es sich aber anders überlegte. »Ja?«, fragte er.
»Sorry«, sagte sie. »Ich sehe, dass es ein sensibles Thema für dich ist. Und für deinen Bruder. Ich kann damit leben.«
»Gut.«
Ingileif briet Fisch in einer Pfanne. »Ich habe heute ein Angebot bekommen«, sagte sie.
»Was für eins?«
»Erinnerst du dich an Svala? Aus der Galerie?«
»Ja. Hast du nicht erzählt, sie wäre nach Hamburg gezogen?«
»Stimmt. Sie hat sich mit einem Deutschen zusammengetan. Sie verkaufen skandinavische Produkte. Ihre Galerie ist erst seit zwei Monaten geöffnet, aber Svala meint, sie läuft gut.«
»Trotz der Krise?«
»Sieht so aus. Und Deutschland ist nicht so stark betroffen wie Island. Da geht’s schon wieder nach oben.«
»Die Glücklichen.«
»Tja. Jedenfalls möchte Svala, dass ich mit einsteige. Als Teilhaberin. Sie hat diesen Deutschen überzeugt, dass ich genau die Richtige wäre, um das Geschäft ordentlich in Fahrt zu bringen.«
»Hm.« Ingileif hatte Magnus den Rücken zugewandt. »Hört sich doch gut an. Aber was ist mit deiner Galerie hier?«
»Die würde mir fehlen. Aber die Aussichten in Deutschland sind wohl deutlich besser.«
»Sprichst du denn Deutsch?«
»Ein bisschen. Für den Anfang reicht es. Wenn ich dort lebe, würde ich es ziemlich schnell lernen.«
Magnus spürte, wie sich sein Körper anspannte. »Und, willst du hingehen?«
Ingileif antwortete nicht, sondern gab den Fisch auf zwei Teller und stellte sie auf den Tisch. Die beiden setzten sich.
»Nein«, sagte sie dann.
»Nein? Warum nicht?«
Sie beugte sich vor und küsste ihn. Inbrünstig. »Wegen dir, du Dummerchen.«
Darauf konnte Magnus nicht viel anworten. Er lächelte.
»Wie läuft der Fall?«, fragte sie. »Gibt es neue Verdächtige?«
»Ein paar«, erwiderte Magnus. »Kennst du Sindri Pálsson?«
»Den alten Schaumschläger? Ja, allerdings.«
»Warum wundert mich das nicht? Aber er ist doch kein Kunde von dir, oder?«
»Nein, nein. Er gehört zur isländischen Schicht der liberalen Intelligenzija. Man sieht ihn bei Buchpräsentationen. Bei Ausstellungseröffnungen. Ist ein netter Kerl, trotz seiner fixen Idee, die Welt ginge den Bach runter.«
»Offenbar ist er der Ansicht, Gewalt sei der einzige Weg, um den Kapitalismus zu zerstören.«
»Er ist ein Schwätzer. Aber ansonsten völlig harmlos. Du glaubst doch nicht, dass er Óskar umgebracht hat, oder?«
»Wir denken, er könnte in die Sache verwickelt sein.«
»Nein«, sagte Ingileif. Dann dachte sie nach. »Nein. Er würde niemals jemanden umbringen. Ich kann ihn ja mal fragen.«
»Habe ich schon«, entgegnete Magnus.
»Ja, aber mir sagt er es vielleicht.« Ingileif konzentrierte sich auf
ihren Fisch. »Jetzt im Ernst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er was von mir will. Genau genommen will er von jeder Frau unter dreißig was – und wie du weißt, Magnús, bin ich noch keine dreißig.« Ingileif war neunundzwanzig und acht Monate. »Er würde es mir verraten, wenn ich es geschickt anstellen würde.«
»Ich meine es
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