Malory
sehr von James aufgezogen worden, weil er, bis alles vorüber war, völlig apathisch dageses-sen hatte. Der sollte jetzt mal hier sein, um zu sehen, wie tapfer sich sein Bruder unter den gleichen Bedingungen hielt.
Aber als sie die Tür öffnete, stand keiner von ihrer Familie auf der Schwelle. Es waren die fünf Brüder von Georgina, und wieder brachte Amy kein Wort heraus.
Kapitel 5
»Hallo. Da sind wir.« Es war Drew Anderson. Er hatte geläutet und stand jetzt direkt vor Amy. Sein Lächeln war betörend.
»Amy, stimmt’s?« Nein, Moment mal, Lady Amy, weil dein Vater Graf oder so etwas ist. Derek sagte, der alte König hätte ihm den Titel verliehen, weil er ihm einen Dienst erwiesen habe. Erinnere ich mich da richtig?«
Amy war erstaunt, daß er sich überhaupt an sie erinnerte, und sprudelte heraus: »Für einen finanziellen Rat. Mein Vater hat ein gutes Gespür für Geldangelegenheiten.« Amy glaubte, diese Gabe von ihrem Vater geerbt zu haben, und weil ihr Gefühl sie selten trog, schloß sie niemals Wetten mit Verwand-ten und Freunden ab.
»Wenn wir nur auch so viel Glück hätten«, meinte Drew. Und während seine schwarzen Augen sie langsam von oben bis unten musterten, fügte er entzückt hinzu: »Aber, sag mal, du bist ja jetzt richtig erwachsen und bildschön obendrein.«
Seine Schmeichelei verwirrte sie nicht im geringsten.
Schließlich war er derjenige unter den Brüdern, der in jedem Hafen ein Liebchen hatte und den man, seiner Schwester zufolge, nicht ernst nehmen durfte. Aber er lenkte die Aufmerksamkeit der Brüder auf sie, auch die seine.
Ihre Augen begegneten denen ihres Auserwählten, doch sie konnte darin nur Ungeduld lesen, die durch seine Worte als-bald bestätigt wurden. »Um Himmels willen, Drew«, fuhr er dazwischen. »Darf ich dich daran erinnern, daß du hier nicht allein bist. Und warte mit deinen Komplimenten, bis du an die Reihe kommst.«
»Gute Idee, Drew«, meinte Boyd und fügte trocken hinzu:
»Aber wenn wir schon einmal hier sind, wollen wir auch Georgie sehen.«
Drew war natürlich nicht im geringsten beschämt. Wohl aber Amy, der plötzlich bewußt wurde, warum die fünf gekommen waren und daß sie ihnen den Weg versperrte. Sehr viel schlimmer indes war, daß sich sein Zorn auf seinen Bruder nun auf sie übertragen hatte, wenn sie den finsteren Blick richtig deutete. Das war so ungerecht, daß sie beschloß, nicht zu verraten, daß sie angesichts der bevorstehenden Geburt in einem denkbar ungünstigen Augenblick gekommen waren und ihre Schwester nicht viel Zeit für sie haben würde.
Und mit so viel Würde, wie sie unter diesen Umständen auf-bieten konnte, wich Amy zur Seite und sagte: »Treten Sie ein, meine Herren. Sie werden schon ungeduldig erwartet.« Zumindest von einem Familienmitglied.
Und so kamen sie herein, wahre Hünen von Männer. Zwei von ihnen maßen mindestens einen Meter neunzig, die übrigen waren noch größer. Zwei hatten Georginas dunkelbraunes Haar, die anderen waren goldblond. Zwei hatten dunkelbraune Augen, zwei andere dagegen Augen von so hellem Grün, daß sie an frischgepflückte Limonen erinnerten, und nur Drews Augen waren schwarz wie die Nacht. Und alle sahen so blendend aus, daß kaum ein junges Mädchen ihrem Charme lange zu widerstehen vermochte.
Als sie in der Eingangshalle waren, brüllte Drew in Kapitänsmanier: »Schwesterherz, wo bist du?«
Worauf ein von James gebrummtes »Was für ein verdammtes Pech« aus dem Salon zu ihrer Linken drang, während Georgina freudig ausrief: »Hier, Drew – und James, benimm dich!«
Die Anderson-Brüder eilten zum Salon, aus dem die Stimme ihrer Schwester ertönt war. Amy, die in diesem Moment zum Glück niemand beachtete, schlüpfte hinter ihnen hinein und setzte sich auf einen Stuhl, von dem aus sie die Begrüßungszeremonie mit Gelächter, Umarmungen und Küssen – zumindest zwischen den Andersons – beobachten konnte. Auch James hatte sich ein wenig zurückgezogen und lehnte mit verschränkten Armen und grimmigem Blick am Kamin. Erstaunlicherweise aber blieb er friedlich, denn er wollte seiner Frau ihre unübersehbare Freude nicht verderben. Er selbst wurde von keinem der Brüder begrüßt. Der eine oder andere hätte es wohl getan, wenn er nicht so grimmig dreingeschaut hätte.
Amy ließ Georgina nicht aus den Augen. Ihre Wehen kamen und gingen, doch bis auf ein leichtes Krümmen des Rückens und eine kurze Atempause beim Sprechen ließ sie sich nichts anmerken. James fiel zum
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