Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
auch das Beste: das Herz, die Lunge, die Leber und die Nieren. Mit einem Stöckchen spießten wir sie auf. Dabei lachten wir darüber, wie die Männer uns früher bevormundet hatten. Genüsslich schoben wir uns das gebratene Ziegenfleisch in den Mund. Und wir tranken sogar das eisenhaltige Blut der Ziege, das für uns Nomaden das Wertvollste eines Tieres ist. Uns war klar geworden, dass die Männer nur ihre eigenen Interessen verfolgt hatten.
Ich staunte und guckte zufrieden in die Runde. Ich war stolz auf diese Frauen, die sich alle früher damit abgefunden hatten, von ihren Männern geschlagen zu werden. Wir waren bester Laune. »Man hat doch eigentlich nur Probleme, wenn man mit einem Samburu-Mann zusammenlebt«, fuhr Nagusi kauend fort. Ein Leben ohne Männer – früher hätte keine von uns das für möglich gehalten. Doch jetzt machten wir es einfach. »Umoja – gemeinsam sind wir stark«, sangen wir am Feuer. Wie eine Art Schlachtruf hallte unser Lied durch die Halbwüste.
Immer öfter sprachen wir nun von einer gemeinsamen Vision: Es war unser größter Traum, ein richtiges Schulgebäude aus Stein zu bauen, in dem eines Tages vor allem Mädchen die Schulbank drücken würden. Wir waren uns alle einig, dass unsere Kinder und vor allem auch unsere Mädchen lesen und schreiben lernen sollten. Denn die meisten Frauen waren Analphabetinnen und hatten nicht wie ich das Glück gehabt, zur Schule gegangen zu sein.
Zunächst richteten wir jedoch erst einmal einen Kindergarten ein. Beatrice, eine junge Frau mit einem sonnigen Gemüt, die zu den wenigen gehörte, die lesen und schreiben konnten, hatte sich von ihrem dreißig Jahre älteren Ehemann getrennt und nahm unsere Kinder wie ihre eigenen beiden Töchter unter ihre Fittiche. Morgens früh, wenn die Frauen ihrer Arbeit im Dorf nachgingen, lieferten sie ihre Kinder bei Beatrice ab, die unter unserer Dorfakazie auf sie aufpasste. Genau wie ich als kleines Mädchen lernten unsere Kleinen nach alter Nomadentradition im Schatten unserer Akazie ihre ersten Kinderlieder. Während ihre Mütter Samburu mit ihnen sprachen, lernten sie etwas Suaheli und Englisch von Beatrice, um sie auf das Leben außerhalb des Dorfes vorzubereiten. Wie früher Mama Meroni machte auch Beatrice kleine Ausflüge mit ihnen zum Fluss und sang dabei Kinderlieder. Abends beim Kochen erzählte uns Beatrice von den Fortschritten, die die Kleinen machten. Bald kamen immer mehr Kinder in den Kindergarten. Wir teilten Freiwillige ein, die für sie kochten, und bauten eine richtige Manyatta für sie.
Unsere Kinder sollten einmal stolz auf uns sein. Das war unser sehnlichster Wunsch. Wie wir es uns vorgenommen hatten, sparten wir eisern und legten jeden Schilling, den wir nicht brauchten, in eine Dose. Jeden Abend zogen die Frauen, die Schmuck verkauft hatten, im Kreise der anderen die Geldscheine, die sie verdient hatten, aus ihren BHs und legten sie in die alte Dose. Eines Tages war es endlich so weit: Wir konnten uns aus den Einnahmen vom Campingplatz den Bau unserer geplanten Dorfschule leisten, von der wir schon lange geträumt hatten. Dort würde Beatrice dann auch für ihre Kindergarten- und Vorschulkinder Platz finden.
Und so gingen wir auch dieses Projekt ganz gezielt an: Wir engagierten einen Bautrupp, der auf einem Feld unweit von unseren Manyattas ein Schulgebäude für zwei Klassen errichten sollte. Während wir mit unseren Pangas das Feld räumten und
Gestrüpp wegschlugen, rückten die Bauleute mit ihren Schaufeln und einer Zementmischmaschine an. Pfeifend sprangen mehrere Bauarbeiter von der Ladefläche eines ramponierten Pick-ups, bauten sich im Halbkreis auf und warteten mit verschränkten Armen auf weitere Anweisungen. Voller Skepsis musterten sie mich, als ich mich mit meiner Zeichnung vor sie stellte: eine Bauherrin. Das hatten sie noch nie erlebt. Verunsichert schauten sie sich um. Die meisten hätten am liebsten laut losgelacht, doch sie rissen sich zusammen, denn sie alle brauchten das Geld, das wir ihnen für ihre Arbeit zahlten.
»Wir freuen uns, dass ihr zusammen mit uns eine Schule bauen wollt.« Mit diesen Worten begrüßte ich die grinsenden Herren selbstbewusst. »Falls ihr Probleme habt, wendet euch an unser Schulkomitee. Wir werden dann gemeinsam nach einer Lösung suchen.« Solch klare Instruktionen hatte keiner von ihnen erwartet. Ihre Flachsereien verstummten. »Wir erwarten, dass ihr euer Bestes gebt. Schließlich soll das eine Schule für die Kinder in der
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