Man tut, was man kann (German Edition)
darüber nachgedacht.
Ich sehe spontan eine gute Möglichkeit, den Abend kurz zu halten. «Ich glaube, wer von uns beiden auch immer künftig den Verlag führt, er sollte es allein tun.»
Raakers nickt. «Ich habe mir das auch schon durch den Kopf gehen lassen», sagt er leicht gedehnt.
«Andererseits halte ich Sie für einen ausgezeichneten Finanzvorstand und würde Sie deshalb nicht verlieren wollen.»
Raakers ist erfreut über das Kompliment, damit hat er nicht gerechnet.
«Wenn Sie den Posten bekommen, wollen Sie mich dann an Bord haben für die Entwicklung neuer Produkte?»
Raakers nickt.
«Gut, wenn ich den Vorsitz übernehme, möchte ich Sie als Finanzchef im Vorstand haben.»
Wieder nickt Raakers. «Und Sie würden den Laden zusammen mit Schamski leiten, ich zusammen mit Burger», sagt er dann völlig schnörkellos, was mir jetzt schon fast wieder sympathisch ist.
«Exakt», erwidere ich. «Wenn das für Sie ein gangbarer Weg ist.»
«Einverstanden», sagt Raakers. «Das heißt also, Sie werden kandidieren.»
Ich überlege. «Sagen wir so, ich möchte mir die Vorstellungen der Eigentümer zumindest mal anhören.»
«Ahhh. Guten Abend!», höre ich in diesem Moment den Oberlehrer im überschwänglichen Ton eines aufgedrehten italienischen Gastronomen rufen, und Raakers wendet sich zu ihm.
«Ach, da ist ja meine Frau», sagt er. «Einen Moment bitte, ich möchte Sie gerne bekannt machen.» Er verschwindet zwischen den anderen Gästen.
Wenig später schält sich aus dem Gewimmel das Gesicht von Jutta, jener Frau, die mich anrufen will, wenn sie abschließend herausgefunden hat, ob ihr Mann schwul ist.
Da sie zuerst an den Tisch tritt, übersieht Raakers das kurze Erschrecken in unseren Gesichtern.
«Darf ich vorstellen, meine Frau – Herr Dr. Schuberth, unser Personalvorstand. Noch, muss man sagen, denn Dr. Schuberth wird vermutlich ebenfalls für den Vorstandsposten kandidieren.»
«Freut mich», sage ich und reiche Jutta die Hand.
«Ganz meinerseits», erwidert sie.
Ein kurzer Moment peinlichen Schweigens.
«Ja, was ist, wollen wir noch was trinken?», fragt Dr. Raakers, als wäre unsere kleine Party hier kurz vor dem Siedepunkt.
UND JETZT?
Heute bin ich mit Iris zu einem ungezwungenen Abendessen verabredet. Ich habe mir deshalb eine Maniküre/Pediküre gegönnt, gefolgt von einer Rückenmassage. Dann war ich in der Sauna, habe mich anschließend rasieren und mir eine reinigende Gesichtsmaske auflegen lassen und danach ein Entspannungsbad genommen, gefolgt von einer Feuchtigkeitsbehandlung. Für einen kurzen Moment war ich also der gepflegteste Mensch auf dem ganzen Erdball. Jetzt stehe ich vor meinem Kleiderschrank, bislang nur in einen dezenten Duft und Shorts gehüllt, und überlege, was ich anziehen könnte. Da meine Garderobe nahezu komplett in gedeckten Tönen gehalten ist, muss ich mir nicht lange Gedanken über passende Kombinationen machen, denke ich und greife also in der Hoffnung, dass alles miteinander harmonieren wird, ein paarmal beherzt in den Schrank.
Beim Jackett bin ich mir dann doch nicht sicher, es passt irgendwie nicht zu den Schuhen, die ich deshalb wechsle. Im zweiten Durchgang wechsle ich außerdem die Hose-Jackett-Kombination, welche mir nun aber wieder nicht so recht zu den neuen Schuhen passen will. Vielleicht liegt es auch am Hemd, denke ich, tausche auch das, muss nun ein neues Jackett und eine neue Hose dazu finden, was die Schuhe indiskutabel macht, wobei jetzt das erste Paar wieder ins Rennen kommt, was mir aber von allen Schuhen, die zur Debatte standen, am wenigsten gefallen hat. Außerdem geht mir das neue Hemd auf den Senkel, und obendrein gewinne ich die Einsicht, dass meine Schuhe beschissen aussehen, und zwar alle, die ich besitze. Jedenfalls passen die Sachen irgendwann einigermaßen zusammen, sehr, sehr knapp bevor ich sehr schlechte Laune kriege.
Bronko liegt im Wohnzimmer auf dem Sofa und zappt gelangweilt durch die Programme, als ich erscheine.
«Wollt ihr in die Oper?», fragt er beiläufig.
«Nein, wieso?»
«Weil du wie ’ne Beautyfarm riechst und wie der britische Botschafter aussiehst», erwidert er.
Bronkos Einschätzung macht mich ein wenig unsicher. «Findest du, ich bin overdressed für ein ungezwungenes Abendessen?»
«Ein ungezwungenes Abendessen im Buckingham Palace oder in einem gewöhnlichen Restaurant?»
«Gehobener Italiener», entgegne ich.
«So gerade», urteilt Bronko fachmännisch. «Ist aber wirklich
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