Man tut, was man kann (German Edition)
darüber nachdenkt, wo wir nun hingehen könnten. «Ein paar Blocks weiter gibt es einen Franzosen», sagt sie dann. «Einfache Landküche, die Einrichtung ist auch eher schlicht, aber ich finde es nett dort.»
Ich nicke aufmunternd. «Okay.»
Kaum eine Viertelstunde später stehen wir im Coq et Lapin. Der Laden ist klein, das Publikum gemischt. Eine Gruppe Studenten und einige Paare sind anwesend. Bis auf einen kleinen Ecktisch ist das Restaurant voll besetzt. Der Kellner macht sich gerade wichtig und überprüft mit ernstem, fast sorgenvollem Gesichtsausdruck, ob für den Ecktisch eine Reservierung vorliegt. Das ist aber nicht der Fall, wir dürfen Platz nehmen.
Während ich mich setze, verschwindet Iris einen Moment, um sich frischzumachen. Das gibt mir Gelegenheit, mich ein wenig umzusehen. Unser schlichter Holztisch wird mit einer weißen Papiertischdecke verschönert. Wie ich wenig später feststelle, verwendet der Kellner sie ebenfalls, um die Rechnung daraufzuschreiben. Man gibt sich im Coq et Lapin also betont lässig. Einige Gäste scheinen mit diesen französischen Rechnungsformalitäten Schwierigkeiten zu haben. Das Paar am Nebentisch hat bereits gezahlt, der Mann ist jetzt damit beschäftigt, die Papiertischdecke möglichst unauffällig zusammenzufalten, offenbar benötigt er sie als Beleg. Seine Begleiterin redet leise auf ihn ein, vermutlich fleht sie ihn an, sich nicht zum Affen zu machen.
Der Kellner beobachtet das Schauspiel aus den Augenwinkeln, während er unseren Tisch eindeckt. Wahrscheinlich hat ihm der Gast am Nebentisch nicht genug Trinkgeld zukommen lassen, sonst käme der Kellner vielleicht auf den Gedanken, dem Mann einen normalen Bewirtungsbeleg auszustellen. Im nächsten Moment hat sich die Sache aber sowieso erledigt, weil der Gast sich die grob zusammengefaltete Papiertischdecke wie eine Zeitung unter den Arm klemmt und mit seiner sichtlich indignierten Begleitung betont unauffällig das Lokal verlässt.
Der Kellner sieht ihm einen kurzen Moment nach, dann wendet er sich mir zu. «Einen Aperitif?» Er präsentiert ein gehobenes Servicelächeln. Im gleichen Moment taucht Iris’ Lockenkopf hinter ihm auf.
«Einen Aperitif? Vielleicht einen Crémant?», frage ich über seine Schulter hinweg. Der Kellner bemerkt nun, dass Iris hinter ihm steht, und schiebt sich, eine Entschuldigung murmelnd, an ihr vorbei, um ihr dann dabei zu helfen, Platz zu nehmen.
Sie schürzt die Lippen, wieder ist auf ihrer Stirn diese kleine Falte zu sehen, die offenbar immer dann erscheint, wenn Iris nachdenkt. «Ja. Warum eigentlich nicht?», sagt sie dann.
Ich will etwas erwidern, aber der Kellner kommt mir zuvor.
«Bon, deux Crémants», fasst er zusammen. Ich nicke und möchte erneut etwas sagen, aber diesmal ist Iris schneller.
«Mögen Sie eigentlich Austern?», fragt sie. «Wollen wir uns vielleicht ein halbes Dutzend teilen?»
Ich überlege.
«Sie mögen also keine Austern», stellt sie nüchtern fest.
«Doch, sogar sehr», erwidere ich. «Ich teile aber nur mit Ihnen, wenn wir uns nicht den ganzen Abend siezen.»
Sie grinst, hebt den Blick zum Kellner. «Wir hätten auch noch gerne ein halbes Dutzend Austern.» Der Kellner nimmt es zur Kenntnis, zieht sich dann mit einer angedeuteten Verbeugung zurück. Sie wendet sich wieder mir zu, legt die Unterarme auf den Tisch und sieht mich mit ihren schönen dunklen Augen schweigend an. Das dauert eine Weile und irritiert mich.
«Was?», frage ich schließlich.
Sie zuckt mit den Schultern und macht ein Sag-du-es-mir-Gesicht.
«Ist es wegen dem Siezen?», hake ich nach. «War ich zu forsch?»
Sie überlegt kurz, wiegt dann unschlüssig den Kopf hin und her.
Ich bin verunsichert. Findet sie, dass ich ihr zu nahe getreten bin? Ist sie womöglich tatsächlich verstimmt? «Meinetwegen können wir uns auch siezen», sage ich kapitulierend.
«Quatsch», lacht sie. «Beim Crémant hätte ich dir sowieso das Du angeboten. Ich hab mich nur darüber amüsiert, dass du versuchst, mich mit drei Austern zu erpressen.»
Jetzt muss ich lächeln. «Hätte ich das mit dem Crémant vorher gewusst, wäre der schmutzige Trick mit den Austern nie passiert.»
Wir sehen uns an, und ich stelle mit leichtem Erstaunen fest, dass wir miteinander zu flirten beginnen. In diesem Moment unterbricht uns jedoch der Kellner und bringt Crémant und Austern.
Ich frage mich, was sich wohl gerade zwischen Iris und mir abspielt. Sie hatte zuvor doch klargemacht, es würde sich bei
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