Mandys Verlangen
und Mandolyn mochten zwar klüger sein als sie und genau wissen, mit welcher Gabel man welchen Gang aß. Aber sie konnten Clemens niemals so befriedigen, wie sie es vermochte – Tamara, das kleine Mädchen aus Baltimore, das noch als Teenager aus Geldnot die Sachen der älteren Geschwister hatte auftragen müssen.
»Dann empfehle ich Ihnen, einen Koronarspezialisten anzurufen, Herr Oberarzt«, ging sie kichernd auf Clemens’ Spiel ein. »Ich bin nur eine einfache Krankenschwester.«
»Aber die geilste, die ich kenne.« Clemens’ Ton wurde drängend. »Ich brauche deine Therapie, Baby. Am besten sofort. Kommst du zu unserem Treffpunkt?«
»Ich weiß nicht.« Tammy war unsicher. Auf der Chirurgie lagen zwei frisch operierte Patienten. Nichts Gefährliches, ein Leistenbruch und ein Blinddarm, aber sie durfte ihren Posten trotzdem nicht verlassen.
»Liebling, ich bin verrückt nach dir«, bettelte Clemens. »Und mein Johnny auch. Er braucht unbedingt deine süße Muschi. Bitte, lass uns nicht so leiden.«
Tammy kaute unsicher auf ihrer Unterlippe herum. Normalerweise blieb es nach Mitternacht bis ungefähr drei Uhr ruhig auf den Stationen. Es konnte höchstens sein, dass ein Patient nach seiner Bettflasche verlangte. Aber ansonsten befanden sich die Leute, auch die Schmerzpatienten, erfahrungsgemäß in der Tiefschlafphase und wurden erst gegen halb vier morgens wieder unruhiger. Trotzdem zögerte Tammy, ihren Posten zu verlassen. Immerhin war sie für drei Stationen verantwortlich. Es brauchte nur einer der Ärzte auf die Idee zu kommen, noch mal nach einem Patienten zu sehen oder sich telefonisch nach ihm erkundigen zu wollen, dann war der Ärger perfekt!
»Und wenn etwas passiert?«, fragte Tammy, im Grunde schon entschlossen, Clemens’ Bitte abzulehnen und ihn auf den Morgen zu vertrösten.
»Was soll denn passieren?«, tat er lachend ihre Sorgen ab. »Um diese Zeit liegen alle Patienten in ihren Betten und schlafen. Und wenn doch einer wach wird, kann er ruhig mal ein paar Minuten auf seine Bettflasche warten. Die Blase wird ihm nicht gleich platzen.«
Das waren exakt die Gedanken, die auch Tammy durch den Kopf gegangen waren.
»Ja, aber wenn es rauskommt, dass ich meine Stationen verlassen habe, fliege ich«, erinnerte Tammy ihn. »Nein, Darling, ich glaube, dass ich das Risiko nicht eingehen sollte.«
»Sweetheart.« Clemens’ Ton war ernst. »Glaub mir, es kann nichts passieren. Wir schieben ein kurzes Nümmerchen, dann gehst du wieder auf deinen Posten, und ich fahre nach Hause. Es wird niemandem auffallen, dass du weg warst.«
»Ich weiß nicht …« Tammy zögerte noch immer, aber Clemens ließ nicht locker.
»Hör zu, Darling«, sagte er eindringlich. »Wenn wirklich etwas Unvorhergesehenes geschieht, was ich nicht glaube, und man dir Ärger machen will, dann helfe ich dir natürlich. Da brauchst du dir überhaupt keine Gedanken zu machen.«
»Ach, und wie?«, platzte Tammy heraus. »Wenn etwas passiert und herauskommt, dass ich nicht auf meinem Posten war, fliege ich. Da kannst du gar nichts machen.«
»Und ob!« Clemens sprach im Brustton der Überzeugung. »Ich habe gute Verbindungen, die ich spielen lassen kann. Natürlich würde ich dafür sorgen, dass du deinen Job behältst.«
»Ehrlich?« Tammys Widerstand begann zu schmelzen.
»Ehrlich«, beteuerte Clemens. »Es gibt Leute, die im Swedish Medical Center mehr zu sagen haben als unsere gute Mrs. Clarkson.«
Tammy ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. Sie wusste, dass Clemens auf die reichen Gönner anspielte, die dem Krankenhaus regelmäßig hohe Spenden zukommen ließen. Ein Teil der hochmodernen medizinischen Geräte, mit denen das Haus arbeitete, waren mit solchen Mitteln bezahlt worden. Es waren Geschenke betuchter ehemaliger Patienten und Besucher, die den Ärzten und Schwestern des Swedish Medical ihr Leben oder das ihrer Angehörigen verdankten oder die einfach etwas zum Abschreiben brauchten.
»Na gut«, willigte Tammy endlich ein, nachdem sie tief Luft geholt hatte. »Aber vorher mache ich noch mal meine Runde.«
»Okay.« Clemens klang zufrieden. »Ich warte unten auf dem Parkplatz auf dich. Du weißt schon, wo, nicht wahr?«
»Ja, ich weiß Bescheid.« Tammy legte auf, erhob sich und machte sich auf den Weg zu ihren Stationen.
Sie beeilte sich mit dem Check. Clemens hatte recht, momentan hatten sie keine instabilen Fälle auf den Stationen. Die Patienten lagen alle wohl versorgt in ihren Betten und schliefen.
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