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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schützes pendelte hin und her, als hinge er an keiner Wirbelsäule mehr.
    »Du hast meine Tochter vergewaltigt«, sagte Bollet hart. »Und du wirst tun, was ich dir sage …«
    Hinter ihnen raschelte es. Jeanette war aufgewacht. Sie saß im Bett, hatte die Decke bis hoch an den Hals gezogen und sah mit großen, dunkel umränderten Augen zu ihnen hinüber.
    Dann rief sie etwas. Laut, schrill. Bollet fuhr herum. Er schrie zurück, er ballte die Fäuste, trat mit den Füßen auf den Boden. Jeanette schrie erneut …, dann sprang sie aus dem Bett, ließ die Decke fallen und rannte nackt, wie sie war, auf ihren Vater zu. Mit hocherhobenen Fäusten blieb sie vor ihm stehen und brüllte ihn an. Charles Bollet wich zurück. Er bückte sich, nahm die Decke, legte sie Jeanette um die Schulter und schob sie aus dem Zimmer.
    Schütze saß noch immer so da, wie er vor dem Erwachen Jeanettes auf dem Stuhl gehockt hatte. Nur mit seiner Uniformhose bekleidet, mit nacktem Oberkörper, den Kopf auf die Brust gesenkt. Er war völlig zerbrochen.
    Bollet stieß ihn an. Heinrich Emanuel blickte nicht auf. Man hätte so auch ein Stück Holz anstoßen können.
    »Zieh dich an«, sagte Bollet. »Und überleg es dir. Jeanette liebt dich … das habe ich nicht gewußt –«

5
    Zwei Stunden später hockte er wieder hinter dem Schreibtisch der Kommandantur. Er las die Meldungen der Nachtposten, Befehle der Armee, Listen, die er ausfüllen mußte, Meldungen und Termine, die auf ihn warteten. Wie oft wird das Trinkwasser gechlort? Sofortige Meldung, ob Schneezäune für den Winter hergestellt werden können. Wieviel Straßenkilometer verwehen?
    Oberleutnant Schütze schob den Papierkram zur Seite. Ihn ekelte alles an. Er ekelte sich vor sich selbst. Er hatte Amelia betrogen. Gewiß, er war sinnlos betrunken gewesen, als es geschah, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß er es getan hatte und daß er, wenn er an Jeanette dachte, auch jetzt, im ernüchterten Zustand, Herzklopfen bekam und eine Art Sehnsucht, sie möge bei ihm sein. Nackt und sinnlich. Ein Teufel in der Liebe … einer Liebe, die er bisher nie gekannt hatte, von der er überhaupt nicht wußte, daß es so etwas gab zwischen Mann und Frau.
    Ein Brief aus Breslau lag bei den Feldposteingängen. Er las den Absender gar nicht, er erkannte die Schrift. Amelia schrieb ihm wieder. Jede Woche. »Ich merke noch nichts«, schrieb sie im letzten Brief. »Ich habe mich erkundigt …, man merkt es zuerst, daß man morgens Übelkeit verspürt, Brechreiz, ein Würgen im Hals.«
    Vielleicht schrieb sie jetzt, daß sie etwas spürte. Er wollte es gar nicht lesen. Er stopfte den Brief in seine Uniformtasche, rief den Ia-Schreiber, übergab ihm die ganzen Meldungen und ritt aus. Er kontrollierte die Wachlokale, sah die Wachbücher durch und ritt dann hinaus zur Glasbläserei.
    Charles Bollet stand im Hof des Hauses und hackte Holz, Madame Sarah saß in der Küche. Er hörte daraus ein rhythmisches Stampfen. Aus irgendwo organisierter Sahne butterte sie. Jeanette putzte den Flur …, ihr Rock schob sich hoch, wenn sie sich bückte. Sie hatte schlanke Schenkel. Heinrich Emanuel sprang vom Pferd.
    »Bollet«, sagte er hart, »ich brauche für die Kommandantur eine Putzhilfe und jemand, der das Haus in Ordnung hält. Ich dachte an Jeanette …«
    »Nimm sie mit!« Bollet wog die Axt, mit der er das Holz zerkleinerte, in der Hand. »Man sollte dir den Schädel einschlagen, Oberleutnant. Das Mädel ist verrückt nach dir. Warum, das weiß der Teufel. Nimm sie mit. Ich habe sie schon verprügelt – aber sie läßt nicht los.«
    »Du Schuft hast sie geschlagen?« Schütze ging auf Jeanette zu, die ihm den Rücken zudrehte. Mit einem Ruck drehte er sie herum. Über ihr schönes, schmales Gesicht liefen zwei breite, blutunterlaufene Striemen. Bollet mußte sie mit einer Lederpeitsche geschlagen haben, so sah es aus.
    Heinrich Emanuel fuhr herum. Er ballte die Fäuste, griff dann zu seiner Pistole und riß sie aus dem Futteral. Bollet schüttelte den Kopf.
    »Schieß, Oberleutnant. Meine Freunde werden dich – und Jeanette finden, wo immer ihr auch seid.«
    Aus dem Fenster fuhr der Kopf Madame Sarahs. Sie schrie etwas, schrill, giftig. Ihre Haare, jetzt zottelig und ungekämmt, wirbelten im Wind, der um die Hausecke pfiff. Sie schrie Bollet an. Schütze verstand es nicht. Sein Französisch war nicht so gut. Er wandte sich wieder zu Jeanette um, nahm ihr den Schrubber aus der Hand, streichelte zärtlich

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