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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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langen Nächten diese Gedanken gehabt, bis er sich mit der Überzeugung tröstete: Ich tue alles der Kinder und Amelias wegen.
    »Hätte dein Schwiegervater nicht geholfen?«
    »Er wollte es. Aber als besserer Knecht –«
    »Was bist du denn jetzt? Der alte deutsche Geist geht immer mehr vor die Hunde. Noch merkst du es nur an einzelnen Dingen … aber verlasse dich darauf: In zwei oder drei Jahren wirst du Deutschland nicht wiedererkennen.«
    »Das glaube ich gern. Dann sind wir wieder die stärkste Nation Europas. Unser völkisches Bewußtsein wird wieder.«
    »Bitte, komme nicht ins Quatschen.« Der General a.D. trank den Rotwein mit einem einzigen Schluck aus. Es war ihm, als brenne seine Kehle. »Rund heraus: Es gibt noch Offiziere, die eine Ehre haben und nicht vor der neuen Diktatur im Staube liegen. Männer, die die Gefahr erkennen, die da in die Wilhelmstraße eingezogen ist. Wir sind dabei, diesen Kreis fest zu umreißen, uns zusammenzuschließen und so zu verhindern, daß die Reichswehr in völlige Abhängigkeit von der NSDAP abgleitet. Wer das Militär besitzt, hat die Macht – deshalb soll und muß die Reichswehr neutral sein, ein Machtfaktor, der alle Despotengelüste und allen Dilettantismus abstoppt, wenn sie dem Staate gefährlich werden. Wir müssen eine Art Feuerwehr sein …«
    »Feuerwehr …« Heinrich Emanuel Schütze saß steif dem Onkel General gegenüber. »Hinter Hitler stehen die Millionen des Volkes. Willst du einen Bürgerkrieg?«
    »Man muß die Masse aufklären. Aber allein kann man das nicht.«
    »Du vergißt die SA. Sie ist bewaffnet. Sie ist doppelt, dreifach so stark wie die Reichswehr. Dazu kommt die SS, kommen die anderen Organisationen … Hitler ist eine Realität, die wir nicht beiseite schieben können. Er hat die Mehrheit des Volkes … was soll da ein kleiner Offizierskreis machen, der dagegen ist? Das sind Schwärmer. Wenn es heute einen Machtblock gibt, so ist es die NSDAP. Da gibt es nur eins: sich fügen.«
    »Wenn alle so denken, na dann prost!« Der Onkel General erhob sich. Es war sinnlos, hier weiterzureden. Er strich Amelia über die Haare, gab den Kindern, die in Uniform im Flur standen, die Hand und wandte sich dann wieder an Hauptmann Schütze, der in der Tür zum Wohnzimmer erschien.
    »An die da solltest du denken. An die Kinder.«
    »Ich denke nur an sie. Sie werden die Blüte Deutschlands erleben.«
    »Wenn mir Gott noch zehn Jahre schenkt, werden wir uns wieder über dieses Thema unterhalten.«
    Nach knapp einer Stunde verließ General a.D. v. Perritz wieder das Haus der Schützes und fuhr zurück nach seinem Ruhesitz. Nach Magdeburg.
    Amelia aber hatte wieder eine harte Aussprache mit ihrem Mann.
    »Ihm hast du zu verdanken, daß du überhaupt wieder die Uniform trägst!« rief sie empört. »Er hat dich damals, als du Margarine verkauftest, aus dem Dreck gerissen … Und jetzt behandelst du ihn wie ein Stück Dreck. Er kommt in echter Gewissensnot hierher, um einen Rat zu suchen, und du … du …«
    »Er ist ein Starrkopf. Das war er schon immer. Schon als Oberst im Krieg. Statt eine Stellung zu halten, hat er in den Karpaten seine Truppen ohne Befehl zurückgenommen …«
    »Und hat damit über tausend Männern das Leben gerettet. Hinterher stellte sich ja heraus, daß er recht hatte.«
    »Hinterher. Ein Soldat gehorcht. Weiter nichts. Wenn jeder Piefke die Befehle auf Sinn oder Unsinn untersuchen wollte … Amelia, wo kämen wir dann hin? Wo bleibt da die Disziplin?«
    »Mag sein. Aber du mußt zugeben, daß du dich Onkel Eberhard gegenüber nicht korrekt benommen hast …«
    »Was heißt: Zugeben? Habe ich ein Verbrechen begangen? Ich habe meine politische Ansicht vertreten. Im übrigen ist es mir zu dumm, mit Frauen über solche Themen zu reden.«
    Er wandte sich ab und ging in sein Arbeitszimmer. Dort schloß er sich ein. Allein vor seinem Schreibtisch knöpfte er den Uniformrock wieder auf und strich sich über die Haare und den kleinen Schnurrbart.
    In manchen Dingen hat Onkel Eberhard recht, dachte er. Aber man kann es ja nicht zugeben … als neuer Parteigenosse …
    *
    Ein Jahr später starb Schützes Vater, der Steueroberamtmann Franz Schütze. Er hatte die letzten Jahre nur noch als lebende Mumie auf Gut Perritzau verbracht. Der Baron bezahlte von Schützes Beamtenpension eine Pflegerin, die ihn rührend umsorgte, bis er eines Morgens im Bett lag, lächelnd, mit gefalteten Händen und geschlossenen Augen. Nur sein Mund stand offen.
    Die

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