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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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schrecklich nach dem, was sie von spekulierenden Physikern und Sprachtheoretikern gehört hatte. Solche Dinge hätte sie vielleicht von jemandem erwartet, der in der Lage war, die Welt jenseits ihrer fünf Sinne zu beobachten und zu deuten. Oder von einem friedensbewegten Studenten, dem der Hasch zu sehr zu Kopf gestiegen war.
    »Der Geist fließt in konstanter Dialektik zwischen dem inneren Universum des einzelnen Selbst und dem äußeren, materiellen Kosmos in Zwillingsströmen reiner Information, die sich gegenseitig zu größerer Spezifität formen. Und die verborgene Dimension der Schwerkraft und die Dimension der Expansion und Kontraktion des Raumes, die Zeit, ist …«
    Bobbys Lippen hörten auf, sich zu bewegen, und seine Muskeln erschlafften. Natalie fing ihn auf, als er nach hinten auf die Kissen sank, streckte seine Beine für ihn, glättete die Decke und steckte sie an den Seiten fest.
    Friedlich schlief er. Natalie fragte sich, ob er sich vielleicht hobbymäßig mit Quantenmechanik und Bewusstseinstheorie befasst hatte. Nichts sprach dagegen. Nach allem, was sie wussten, konnte er in einem Traumzustand gewesen sein und etwas nachgeplappert haben, das er in einer Zeitschrift gelesen hatte.
    Im Widerspruch zu der Meinung, die ihr Vater von ihr hatte, glaubte Natalie keineswegs an eine Theorie des Quantenbewusstseins, in der alle Geister in einem Vereinigten Feld eins werden, das in schwacher Wechselwirkung mit der physischen Welt stand. Zum Teil nahm er sogar an, dass das Bewusstsein selbst sämtliche Eigenschaften der physischen Welt festgelegt habe. Natalie hielt diese Vorstellung für zu schrullig, für zu weit hergeholt und insgesamt für eine zu schlecht durchdachte Wunscherfüllungsversion der Quantenwelt, die sie nicht einmal mit der Kneifzange angefasst hätte. Solche Ideen sickerten ein klebriges geistiges Sekret ab, das alles, womit es in Berührung kam, mit dem Pesthauch träumerischer falscher Voraussetzungen besudelte. Hätte allerdings jemand angeführt, dass die Wahrnehmung der Welt durch eine Person die Art und Weise festlege, wie diese Person die Welt und sich selbst sehe, hätte sie ihm rundheraus zugestimmt.
    Demgegenüber hatte Natalie die Quantentheorie und ihren möglichen Zusammenhang mit dem Bewusstsein nicht völlig aufgegeben, obwohl es in einem Gehirn eigentlich zu warm ist, um Übergänge zu gestatten, wie sie für Quantenereignisse erforderlich sind. Es war aber durchaus denkbar, dass ein Quantenbeitrag für die Zustände des Bewusstseins eine grundlegende Bedeutung besaß, sah man einmal von der sehr offensichtlichen Feststellung ab, dass das Bewusstsein per se von Quantenvorgängen beeinflusst werde, da die materielle Welt zur Gänze aus Quanten besteht. An jeder Universität gab es Philosophen zuhauf, die bereit waren, über den Wurf einer Münze zu debattieren – wenn das Bewusstsein nicht physikalisch zu erklären ist, springt die Metaphysik gern in die Bresche –, doch Natalie kaufte niemandem den Glauben über wie auch immer geartete substanzlose, unkörperliche Seelen, Geister oder sonst was ab. Sie betrachtete sich als Wissenschaftlerin und konnte so weit nicht gehen. Manchmal aber hätte sie es gern getan. In Falle von Judes Aktendeckel zum Beispiel stellte dieses Konzept eine verlockende Erklärung dar – und die bislang einzige.
    Sie ließ Bobby zufrieden in seinem Bett zurück und ging, um mit ihrem Vater zu sprechen. Sein Lieblingsministerialbeamter, ein Karrierist namens McAlister, war bereits verständigt worden und wartete auf sie. Als sie ins Büro kam, saß er auf dem Stuhl ihres Vaters und betrachtete den großen Wandmonitor, auf dem angezeigt wurde, was gerade in Bobbys Kopf vorging. Er wirkte fasziniert und amüsiert zugleich, wie ein Zweijähriger vor dem Fernseher.
    Als Natalie den Bildschirm sah, hielt sie abrupt inne.
    Bobby X’ Gehirn strahlte, und nicht etwa mit den üblichen Aktivitätswechseln. Die Darstellung wirkte mehr wie eine Weihnachts- und Diwali-Beleuchtung zugleich, als wie der Echtzeitscan eines arbeitenden Gehirns. Ströme rasten aus dem Stirnhirn die Dopamin-Pfade entlang, durcheilten das Ammonshorn wie ein Moloch, funkelten in den Sprachzentren, flackerten wie Glühwürmchen in der Blindsight-Zone und leuchteten mit der Helligkeit einer Nova in den Schlüsselbereichen, die Bobby sein Ichgefühl verliehen, das Bewusstsein des eigenen Körpers, Freude und nicht zuletzt das Gewahrsein lebendiger Wesen.
    Natalie begriff nicht im

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