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Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Titel: Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Espinosa
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Ladenschild nicht mehr existierte. Anstelle des hübschen kleinen Rahmenladens war dort jetzt ein Traumladen. Ich hatte gehört, dass sie immer beliebter wurden. Die Menschen, die zu schlafen aufgehört hatten, vermissten ihre Träume. Ein Freund von der Plaza Santa Ana, mit dem ich donnerstags Poker spielte, hatte mir erzählt, er habe schon des Öfteren einen besucht. Er sagte, man könne sich ein Thema aussuchen, zu dem einem dann mittels einer Hypnosetechnik Bilder gezeigt würden. Das Resultat käme ungefähr einem Traum gleich.
    Wie lustig, dass die Leute das Träumen doch irgendwann vermissen. Wir lernen etwas immer erst zu schätzen, wenn wir es verloren haben.
    Ich ging hinein, vielleicht wollte ich sehen, wie das Geschäft sich drinnen verändert hatte. Beim Eintreten klingelte ein leises Glöckchen. Es war dasselbe wie früher. Ich freute mich, dass es zumindest das noch gab. Ein vertrauter Klang, der mich willkommen hieß.
    Gleich darauf erschien der alte Kanadier. Zu meiner Überraschung erkannte er mich wieder.
    »Na so was, dich habe ich ja lange nicht gesehen«, sagte er. »Ist dir die Inspiration abhandengekommen oder du uns?«
    Er umarmte mich. Ich fand es fabelhaft, dass er sich einfach so über die Konventionen hinwegsetzte und einen beinahe Unbekannten in die Arme schloss, auch wenn wir uns früher einmal häufig gesehen hatten.
    »Wir verkaufen keine Leinwände mehr«, sagte er dann. »Wir verkaufen jetzt …«
    »Träume ohne Leinwände«, ergänzte ich.
    Er lachte laut auf. Sein Lachen war noch das alte. Es gibt Wesensmerkmale, denen die Jahre nichts anhaben können.
    »Willst du wieder mit dem Malen anfangen?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete ich zu meinem Erstaunen. »Ich habe mich an eine alte Idee erinnert und brauche Farben.«
    »Es ist wichtig, alles bereitzuhaben, wenn die Ideen kommen. Schläfst du noch?«
    Ich lächelte und zeigte ihm die Spritzen. Sie hatten sich fast schon in meiner Hosentasche verloren.
    »Ich bin kurz davor, es zu lassen.«
    Er bot mir einen Platz an. Ich sah nicht auf die Uhr, auch so wusste ich, dass ich eigentlich keine Zeit hatte, aber nie im Leben hätte ich seine freundliche Einladung ausschlagen können. Er schenkte mir etwas Wein in ein Glas, das auf dem Tisch stand, als habe es auf mich gewartet. Ich merkte, dass die Stuhllehne verstellbar war, und stellte mir vor, dass hier die Kunden ihre kleine Rast einlegten.
    Ich weiß noch, dass die vorherrschende Meinung war, alle Leute würden ihre Betten verkaufen, wenn sie mit dem Schlafen aufhörten. Doch dem war nicht so. Das Bett erfüllt viele Funktionen im Leben, es dient der Liebe, dem Sex, dem Tagträumen, dem Ausruhen und überhaupt zum Leben … Mittlerweile werden mehr Betten denn je verkauft.
    »Hör nicht damit auf«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie schlecht es vielen danach geht. Sie vermissen das Träumen so sehr, etwas, das ihren Tag durchbricht. Du weißt ja nicht, wie frustrierend das Wissen ist, dass ein fürchterlicher Tag nie zu Ende gehen wird; wenn es keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht mehr gibt. Das verändert einen, man verbittert, sehnt sich nur noch danach, abzuschalten, und sei es für ein paar Stunden. Es sind nicht so sehr die Träume, wegen der die Leute hierherkommen, sie wollen einfach ein paar Augenblicke diesen endlosen Tagen und Monaten entfliehen. Tu es nicht …«
    Man hörte ein Hupen. Der Peruaner erinnerte mich daran, dass ich rechtzeitig auf der Plaza Santa Ana sein musste. Doch ich war noch zu verdutzt über das, was ich soeben gehört hatte.
    »Und die Träume …« Ich überlegte, wie ich meine Frage am besten formulieren sollte. »Gelingt es dir, sie zum Träumen zu bringen? Zum Abschalten?«
    Er legte meine beiden Hände in seine linke Hand. Ich fühlte die Haut seiner Handfläche. Wir kannten uns seit Jahren, doch nie zuvor hatten wir uns auf eine so persönliche Weise berührt. Mit der rechten Hand schloss er meine Augenlider.
    »Du hattest heute einen Traum –von Hirschen und Adlern … Habe ich recht?«
    Mein Herz tat einen Sprung, meine Kehle schnürte sich zu. Ich konnte nicht glauben, dass er so etwas erahnen konnte.
    »Woher weißt du …?«, fragte ich überrascht.
    Er antwortete nicht, wie auch ich nicht antworten würde, wenn jemand mich nach meiner Gabe fragen würde. Er stand auf, ging zu einem Regal, holte ein paar zusammengerollte Leinwände herunter und gab sie mir.
    »Ich dachte, du hättest keine mehr«, sagte ich.
    »Es bleibt immer

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