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Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition)

Titel: Marcos und der Zauber des Augenblicks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Espinosa
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hatte ihre Liebe zu diesen Tieren gefühlt.
    Der Kellner brachte uns den Kaffee, legte aber keine Rechnung auf den Tisch; eine höfliche Geste für Stammkunden. Dann ging er schnell wieder, wahrscheinlich merkte er, dass ich mit ihr allein sein wollte.
    »Hast du nie einen Hund gehabt?«, fragte ich weiter.
    »Nie.«
    Sie trank einen Schluck Kaffee, dann noch einen. Ich tat es ihr nach. Mir wurde bewusst, dass sie der erste Mensch war, mit dem ich Kaffee trank, seit meine Mutter gestorben war. Manchmal übergeht man solche Details, aber was auch immer geschehen würde, für mich würde sie immer das erste Mädchen bleiben, mit dem ich nach dem Tod meiner Mutter um fünf Uhr morgens einen Kaffee getrunken hatte.
    Es war nach wie vor stockfinster. Meine Müdigkeit machte sich bemerkbar. Schließlich hatte ich nur vier Stunden geschlafen, alles andere als genug. Ich gähnte.
    »Schläfst du noch?«, fragte sie.
    »Ja.« Für den Moment fügte ich nichts weiter hinzu.
    »Und du?«
    »Ich auch.«
    Wir tranken jeder noch zwei Schlucke Kaffee. Noch ein Schluck, und sie würde gehen. Sie trank ihn, ich schwieg weiter. Auch sie sagte nichts. Ich wusste, gleich würde sie aufstehen. Sie räusperte sich. Jeder Moment konnte der letzte sein.
    Da erschallte mein Name über den Platz. Die Concierge meines Hauses kam auf mich zu. Sie zog einen Koffer hinter sich her. Das Geräusch der Rollen versetzte mich an Flughäfen, Bahnhöfe und Hunderte von Hotelkorridoren zurück. Es war ein vertrautes Rollen, zahllose Stunden hatte es mich begleitet, ich hatte diesen Koffer zwischen zwei Reisen auf unzählige Schränke gehievt.
    »Dieser Koffer wurde gerade vom Flughafen geschickt«, sagte die Concierge und starrte das Mädchen an.
    Sie stellte den Koffer neben mich. Er strahlte Kälte aus. Es war der Koffer meiner Mutter. Die Behörden von Boston hatten mich zwar informiert, dass mit ihrem Leichnam auch ihr Gepäck repatriiert würde, doch ich hätte nie gedacht, dass es vor ihr eintreffen könnte. Ich wagte nicht, diesen braunen Koffer mit seinen drei Rollen anzusehen. Meine Mutter hatte irgendwann eine weitere Rolle anbringen lassen, damit sie ihn leichter ziehen konnte. Ich berührte nicht einmal den Griff, so sehr hatte ich das Gefühl, dass er ihre Essenz bewahrte, ihr Parfum, etwas von ihren letzten Momenten.
    »Es ist ihrer, nicht wahr, Marcos?«, fragte die Concierge angesichts der Teilnahmslosigkeit, die ich an den Tag legte.
    »Ja«, antwortete ich. Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Mit einem Lächeln bedankte ich mich bei ihr, und sie zog enttäuscht von dannen. Ich glaube, sie hatte gehofft, ich würde ihr das Mädchen an meiner Seite vorstellen.
    »Ist dein Koffer verlorengegangen?«, fragte das Mädchen vom Theater.
    Vielleicht war eben das der Gesprächsstoff, den ich brauchte; vielleicht sollte ich ihr erzählen, was dieser Koffer für mich bedeutete. Was es bedeuten würde, ihn zu öffnen, darin auf die Fragmente einer anderen Welt zu stoßen und sie mit jemandem teilen zu können, jetzt, da meine Mutter fort war. Andererseits wollte ich nicht, dass sie Mitleid mit mir empfand, das tragische Ausmaß dieses Tages ermaß, an dem sie mich kennengelernt hatte, an dem ich nicht mehr ganz ich selbst war.
    »Nicht meiner«, sagte ich. »Er gehörte meiner Mutter.«
    Sie stand nicht auf.
    »Wohnst du mit deiner Mutter zusammen?«
    Ich wollte sie nicht anlügen, die Wahrheit wollte ich ihr aber auch nicht sagen. Ein altes Dilemma … Es sollte irgendein Mittelding geben.
    Doch ehe ich antworten konnte, bellte mein Telefon wieder los. Wieder zeichnete sich die Angst in ihrem Gesicht ab, obwohl es nicht einmal ein wirkliches Bellen war. Es war mein Chef. Ich hatte schon vergessen, dass er mich im Theater angerufen hatte. Diesmal nahm ich das Gespräch an. Ich merkte, dass sie sich zum Gehen anschickte. Der Anruf war ein perfekter Abschluss. Offenbar wollte sie jedoch das Ende des Telefonats abwarten, um sich nicht per Handzeichen zu verabschieden.
    Ich beschloss, das Gespräch so lange wie möglich hinauszuziehen.
    »Wir haben es geschafft, ihn herauszuholen«, sagte mein Chef knapp.
    »Wirklich?«, fragte ich.
    »Ja. Er hat gesagt, er müsse nach Salamanca, auf die Plaza Mayor. Er habe dort etwas zu erledigen. Du sollst auch dorthin kommen, der Fremdling möchte dich dort treffen. Ich rufe dich später an, damit du mir berichtest, im Moment können wir hier nicht raus. Alles noch ziemlich brenzlig.«
    Ich wusste nicht, was ich

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