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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Flammen um sie her, bis
hinüber in den Gang, feurige Schlangen, die auffuhren und sich wanden, und
voller Erschöpfung wußte sie, daß alles verloren war.
    Da flog
die Tür auf und im Luftzug schlugen die Flammen noch höher. In dem wirbelnden
Rauch erkannte Scarlett undeutlich Melanie, die mit etwas Dunklem, Schwerem auf
die Glut einschlug. Sie sah sie hin und her schwanken, hörte sie husten, und
blitzhaft tauchte das weiße, entschlossene Gesicht, aus dem die Augen in winzigen
Spalten hervorblinzelten, vor ihr auf. Sie sah den zarten Körper auf und nieder
schwingen, während sie den Teppich schwenkte.
    Noch eine
Ewigkeit kämpften und taumelten sie so nebeneinander, und Scarlett sah die
Feuerzungen kürzer werden. Da drehte sich Melanie plötzlich zu ihr um, und mit
einem lauten Schrei schlug sie ihr aus Leibeskräften gegen die Schulter. In
einem Wirbel von Rauch und Finsternis fiel Scarlett zu Boden.
    Als sie
die Augen wieder öffnete, lag sie auf der hinteren Veranda, den Kopf bequem auf
Melanies Schoß gebettet, und die Nachmittagssonne schien ihr ins Gesicht.
Hände, Gesicht und Schultern schmerzten unerträglich von Brandwunden. Immer
noch wallte der Qualm über dem Negerviertel und hüllte die Häuser in dichte
Wolken. Die brennende Baumwolle strömte einen beißenden Qualm aus. Scarlett sah
Rauchwolken aus der Küche herkommen und fuhr wie außer sich in die Höhe. Aber
sie fühlte sich sanft wieder zurückgeschoben und hörte Melanies ruhige Stimme:
»Lieg still, Liebes, das Feuer ist aus.«
    Einen
Augenblick lag sie ruhig und schloß die Augen, atmete erleichtert auf und hörte
neben sich Wades Schluckauf. Er war also nicht tot. Sie blickte Melanie ins
Gesicht, ihre Locken waren versengt, das Gesicht war von Ruß geschwärzt, aber
die Augen funkelten erregt, und sie lächelte.
    »Wie ein
Neger siehst du aus«, murmelte Scarlett und ließ den Kopf müde zurücksinken.
    »Und du
gar wie der Clown in einer Negertruppe«, erwiderte Melanie heiter.
    »Warum
hast du mich so geschlagen?«
    »Weil dein
Rücken in Flammen stand, Liebste. Ich habe mir nicht träumen lassen, daß du je
in Ohnmacht fallen könntest, obwohl du weiß Gott heute genug auszustehen gehabt
hast. Ich kam zurück, sobald ich das Vieh sicher im Versteck hatte. Ich bin
fast gestorben vor Angst, als mir einfiel, daß du ganz allein warst. Haben ...
haben die Yankees dir etwas getan?«
    »Vergewaltigt
haben sie mich nicht.« Scarlett stöhnte, als sie sich aufzusetzen versuchte.
Melanies Schoß war weich, die Veranda jedoch, auf der sie lag, war hart. »Aber
gestohlen haben sie alles ... Warum machst du denn ein so glückliches Gesicht?«
    »Wir haben
doch einander nicht verloren, die Kleinen sind gesund, und das Dach steht über
unserm Kopf.« Melanies Stimme jubelte fast. »Mehr kann man nicht verlangen ...
O je, aber unser kleiner Herr ist naß! Haben die Yankees auch seine reinen
Windeln mitgenommen? Scarlett, was in aller Welt steckt denn da in der Windel?«
    Erschrocken
fuhr sie dem Kleinen mit der Hand den Rücken hinunter und holte die Brieftasche
hervor. Einen Augenblick machte sie ein Gesicht, als hätte sie diesen
Gegenstand noch nie gesehen, aber dann begann sie zu lachen, lustig und
unaufhaltsam und ohne Spur von Überreizung.
    »So etwas
hast auch nur du dir ausdenken können.« Sie umarmte und küßte Scarlett. »Eine
so schlaue Schwester finde ich mein Leben lang nicht wieder.«
    Scarlett
ließ sich ihre Zärtlichkeiten gefallen, weil sie zu müde war, sie abzuwehren,
weil das Lob ihr wohltat und weil in der gespenstischen, qualmigen Küche eine
neue Achtung, ein wärmeres Kameradschaftsgefühl für ihre Schwägerin in ihr
erwacht war.
    »Man muß
es ihr lassen«, dachte sie fast widerwillig. »Sie ist immer zur Stelle, wenn
man sie braucht.«
     
    28
     
    Plötzlich
setzte Kälte ein und brachte einen alles ertötenden Frost. Eisige Winde fegten
unter den Türen herein, und die losen Fensterscheiben klirrten und klapperten
eintönig. Von den kahlen Bäumen fielen die letzten Blätter, nur die Kiefern
hatten ihr Nadelkleid behalten und hoben sich schwarz und hart vom bleichen Himmel
ab. Die ausgefahrenen roten Landstraßen waren steinhart gefroren, und mit dem
Winde jagte der Hunger durch Georgia.
    Scarlett
entsann sich voll Bitterkeit ihres Gesprächs mit Großmama Fontaine. An jenem
Nachmittag vor zwei Monaten - ihr war, als wären es Jahre her - hatte sie der
alten Dame gesagt, sie hätte das Schlimmste, was ihr

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