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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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zu bitten, nicht wieder rückfällig zu
werden. Scarlett aber prüfte ihr Herz.
    Sie ließ
den Kopf auf den gefalteten Händen, so daß die Mutter ihr Gesicht nicht sehen
konnte, und die Gedanken wanderten betrübt zu Ashley zurück. Wie konnte er nur
beschlossen haben, Melanie zu heiraten, wo er in Wirklichkeit doch sie,
Scarlett, liebte? Und wenn er wußte, wie sehr sie ihn liebte? Wie konnte er ihr
so das Herz brechen?
    Da auf
einmal fuhr ihr strahlend und hell wie ein Komet ein neuer Gedanke durch den
Sinn. »Mein Gott, Ashley hat ja keine Ahnung davon, daß ich ihn liebe!«
    So
unerwartet kam ihr diese Erleuchtung, daß sie vor Schreck beinahe laut
aufgeatmet hätte. Einen langen, atemlosen Augenblick stockten ihre Gedanken wie
gelähmt, dann rasten sie weiter.
    »Woher
sollte er es denn wissen? Ich habe mich ihm gegenüber immer so zimperlich und
damenhaft benommen und bin in seiner Gegenwart ein solches Rührmichnichtan
gewesen, daß er wahrscheinlich denkt, ich mache mir nichts aus ihm, außer
höchstens als Freund. Natürlich, darum hat er nie etwas gesagt! Er hält seine
Liebe für hoffnungslos, und darum ... «
    Geschwind
eilten die Gedanken zurück in jene Zeiten, da sie ihn dabei ertappt hatte, wie
er sie so seltsam ansah, da die grauen Augen, die seine Gedanken sonst so
vollständig verhüllten, offen und nackt vor ihr gelegen hatten mit einem Blick
voller Qual und Verzweiflung.
    »Er denkt,
ich sei in Brent, Stuart oder Cade verliebt, daher sein enttäuschtes Herz. Und
wenn er mich doch nicht haben kann, meint er sicherlich, er könne seiner
Familie zu Gefallen ebensogut Melanie heiraten. Wenn er aber wüßte, daß ich ihn
liebe ... «
    Ihr
bewegliches Gemüt schnellte aus tiefster Niedergeschlagenheit empor zu seliger
Erregung. Das also war die Erklärung für Ashleys Stillschweigen, für sein
seltsames Verhalten. Er wußte nicht! Ihre Eitelkeit kam ihrem Wunsch zu Hilfe,
Glaube wurde Sicherheit. Wenn er nur wüßte, daß sie ihn liebte, käme er eilends
zu ihr. Sie brauchte nur ...
    »Ach!«
dachte sie überglücklich und grub ihre Finger in die gesenkte Stirn. »Ich
Dummkopf, warum fällt mir das jetzt erst ein! Ich muß mir etwas ausdenken, um
es ihn wissen zu lassen. Er heiratet sie sicher nicht, wenn er weiß, daß ich
ihn liebe! Wie könnte er denn?«
    Sie fuhr
zusammen, als sie bemerkte, daß Gerald zu beten aufgehört hatte und der Blick
ihrer Mutter auf ihr ruhte. Hastig begann sie ihre Gebete und sprach mechanisch
herunter, was der Rosenkranz verlangte, aber mit so viel Ergriffenheit in der
Stimme, daß Mammy die Augen öffnete und sie forschend von der Seite ansah. Als
sie die Gebete gesprochen hatte und Suellen und dann Carreen mit den ihren
folgten, jagten ihre Gedanken immer noch weiter mit der berauschenden neuen
Hoffnung. Auch jetzt war es noch nicht zu spät! Allzu oft schon hatte sich die
Provinz entrüsten müssen über Entführungen in dem Augenblick, da die eine oder
die andere Partei mit einem Dritten schon so gut wie vor dem Altar stand. Und
Ashleys Verlobung war noch nicht einmal veröffentlicht. O ja, sie hatte
reichlich Zeit! Wenn nicht Liebe Ashley an Melanie band, sondern nur ein altes
Versprechen, warum sollte es dann nicht möglich sein, daß er sein Wort
zurücknahm und sie, Scarlett, heiratete? Das tat er sicher, sobald er nur wußte,
daß sie ihn liebte. Sie mußte es ihn auf irgendeine Weise wissen lassen. Wie,
das wollte sie schon ersinnen! Und dann ...
    Scarlett
schreckte jäh aus ihrer Traumseligkeit empor. Sie hatte die Responsorien
versäumt, und ihre Mutter sah sie vorwurfsvoll an. Als sie in das Ritual wieder
einfiel, schlug sie geschwind die Augen auf und warf einen raschen Blick durch
das Zimmer. Die knienden Gestalten, das milde Lampenlicht, der dämmerige
Schatten, in dem die Neger sich wiegten, sogar die vertrauten Gegenstände, die
noch vor einer Stunde ihrem Auge so verhaßt gewesen waren, alles nahm
augenblicklich die Farbe ihres bewegten Gemüts an, und das Zimmer wurde wieder
schön. Diesen Augenblick, dieses Bild würde sie niemals vergessen!
    »Treueste
Jungfrau«, betete die Mutter. Die Litanei der Jungfrau begann, und gehorsam
respondierte Scarlett: »Bitte für uns«, während Ellen in sanftem Alt die
Attribute der Mutter Gottes pries.
    Schon als
kleines Kind hatte Scarlett bei diesen Worten immer mehr ihre Mutter angebetet
als die Jungfrau, und so war es auch jetzt noch. Mochte es auch eine
Gotteslästerung sein, Scarlett sah immer durch die

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