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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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desto manierlicher. Er biß dann wohl mehr als sonst voller Hohn und
Spott um sich, aber immer in vollendeter, allzu vollendeter Form.
    Er darf
nicht merken, daß ich vor ihm Angst habe, dachte sie, zog sich den Schlafrock
fester über der Brust zusammen und schritt erhobenen Hauptes mit klappernden
Absätzen die Treppe hinunter.
    Er trat
beiseite und dienerte sie so höhnisch zur Tür herein, daß sie zusammenfuhr. Er
hatte seine Jacke ausgezogen, die Krawatte hing zu beiden Seiten des offenen
Kragens herunter. Das Hemd klaffte über der schwarzbehaarten Brust. Sein Haar
war wüst, die blutunterlaufenen Augen halb geschlossen. Auf dem Tisch brannte
eine einzige Kerze, ein winziges Lichtchen, das ungeheure Schatten in das hohe
Zimmer warf und den schweren Möbeln das Aussehen stummer sprungbereiter Tiere
gab. Auf dem Tisch stand auf einem silbernen Tablett die Kristallkaraffe
geöffnet und die Gläser darum.
    »Setz
dich!« sagte er schroff und folgte ihr ins Zimmer.
    Da überkam
sie ein neues Grauen, neben dem ihre Angst, ihm unter die Augen zu treten, ihr
jetzt geringfügig erschien. Er sah aus, er sprach und benahm sich wie ein
Fremder. Niemals hatte sie diesen flegelhaften Rhett gesehen. Nie hatte er
sich, auch in den intimsten Augenblicken, anders als selbstbeherrscht gegeben. Auch
im Zorn war er stets verbindlich und spöttisch gewesen, und der Whisky hatte
ihn darin immer nur bestärkt. Zuerst hatte diese unerschütterliche Lässigkeit
sie geärgert, aber mit der Zeit war sie ihr bequem geworden. Sie hatte sich an
den Gedanken gewöhnt, es gäbe eigentlich nichts, woran ihm besonders gelegen
wäre, und er betrachte alles im Leben, auch sie, als einen mehr oder weniger
gelungenen Scherz. Als sie ihm aber jetzt über den Tisch hinweg ins Auge sah,
fiel ihr das Herz in die Schuhe. Es gab doch etwas, woran ihm lag, sehr viel
lag.
    »Warum
solltest du auf deinen Schlummertrunk verzichten, auch wenn ich so unerzogen
bin, zu Hause zu sein«, sagte er. »Soll ich dir einschenken?«
    »Ich
wollte gar keinen Schnaps«, entgegnete sie abweisend. »Ich hörte etwas und kam
deshalb ... «
    »Gar
nichts hast du gehört. Hättest du geahnt, daß ich zu Hause war, du wärest nicht
heruntergekommen. Ich habe hier gesessen und zugehört, wie du da oben hin und
her gerannt bist. Du hast den Schnaps sicherlich dringend nötig. Trink.«
    »Ich
möchte nicht ... «
    Er nahm
die Karaffe und pantschte nachlässig ein Glas voll.
    »Da«,
sagte er und gab es ihr in die Hand. »Du zitterst ja am ganzen Leibe. Verstell
dich nicht. Ich weiß, daß du im stillen trinkst, und weiß auch, wieviel. Eine
Zeitlang hatte ich vor, dir zu sagen, du solltest dein Vornehmtun aufgeben und
in aller Öffentlichkeit trinken, wenn du trinken willst. Mir ist es weiß Gott
egal, wenn dir dein Schnaps schmeckt.«
    Sie nahm
das übervolle Glas und verwünschte ihn im stillen. Er las in ihr wie in einem
Buch. Er hatte sie immer durchschaut, und gerade vor ihm hätte sie gern so
manches verborgen.
    »Trink,
sage ich.«
    Sie hob
das Glas und kippte den Inhalt mit steifem Handgelenk und einer jähen Drehung
des Armes hinunter, genauso wie Gerald immer seinen ungemischten Whisky
hinuntergestürzt hatte. Dann erst kam ihr zum Bewußtsein, wie unkleidsam und
säuferhaft das wirken mußte. Ihm entging es nicht. Seine Mundwinkel zogen sich
abwärts.
    »Setz
dich, dann wollen wir uns recht häuslich und gemütlich über die elegante
Gesellschaft unterhalten, der wir eben beigewohnt haben.«
    »Du bist
betrunken«, sagte sie kühl, »ich gehe zu Bett.«
    »Ich bin
sogar sehr betrunken und will noch viel betrunkener werden, ehe der Abend zu
Ende ist. Du aber gehst nicht zu Bett, noch nicht! Setz dich!«
    In seiner
Stimme klang noch ein Rest des gewohnten kühlen Singsangs; darunter aber spürte
sie die nackte Brutalität heraufdrängen - grausam wie ein Peitschenhieb. Sie
schwankte unentschlossen. Da stand er neben ihr und packte ihren Arm so fest,
daß es schmerzte. Er verrenkte ihn ein wenig, und sie setzte sich schleunigst
mit einem leisen Schmerzensschrei. Jetzt verspürte sie wirklich Angst, mehr als
je in ihrem Leben. Als er sich über sie beugte, sah sie sein dunkles gerötetes
Gesicht und in den Augen immer noch das beängstigende Flackern. In ihren Tiefen
lag etwas, was sie nicht erkannte und nicht begriff, etwas, das wilder als Zorn
und weher als Schmerz war und ihn ganz und gar beherrschte, so daß ihm die
Augen glommen wie glühende Kohlen. Lange schaute er

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