Marissa Blumenthal 02 - Trauma
»Wäre Ihnen damit gedient?«
»Aber ja, sehr«, sagte Marissa und bat Wendy um ein Stück Papier. Wendy holte ein leeres Blatt Millimeterpapier aus der Handtasche.
»Mr. Williams ist ganz in der Nähe beschäftigt«, sagte Mr. Hammersmith. »Es ist nur ein paar Querstraßen entfernt. Die Klinik Female Care Australia. Da können Sie zu Fuß hingehen.«
Marissa stieß einen Seufzer aus und gab Wendy das Millimeterpapier und den Schreibstift zurück. »Da sind wir schon gewesen«, sagte sie. »Man hat uns gesagt, daß er vor zwei Jahren ausgeschieden ist.«
»Ach, du liebes bißchen«, sagte Mr. Hammersmith. »Tut mir schrecklich leid. Wir geben uns Mühe, unsere Daten auf dem neuesten Stand zu halten, aber immer gelingt uns das nicht.«
»Vielen Dank jedenfalls für Ihre Hilfe«, sagte Marissa und stand auf. »Das Schicksal scheint bestimmt zu haben, daß Tristan und ich uns nie mehr begegnen sollen.«
»Verdammtes Pech«, sagte Mr. Hammersmith. »Aber warten Sie mal! Ich könnte noch etwas probieren.« Er ging an seinen Computer und tippte etwas ein.
»Da haben wir es!« sagte Mr. Hammersmith mit einem Lächeln.
»Ich habe das jetzige Fakultätsverzeichnis mit dem des Abschlußjahrgangs 1979 verglichen. Wir haben noch drei Personen von damals als Mitarbeiter. Ich würde Ihnen raten, sich bei denen nach Tristan Williams zu erkundigen. Bestimmt wird einer von ihnen wissen,
wo er zu finden ist.« Er schrieb die Namen und ihre jeweilige Abteilung auf ein Blatt Papier und reichte es Marissa.
»Ich würde es erst mal bei dem Burschen versuchen, der oben auf der Liste steht«, sagte Mr. Hammersmith. »Er war als Klassensprecher eine Zeitlang für das Jahrbuch der ehemaligen Studenten tätig. Jetzt arbeitet er in der Anatomie. Die ist in dem Gebäude gegenüber. Wenn Sie mit ihm und den beiden anderen gesprochen haben, ohne den alten Williams aufgetan zu haben, kommen Sie zurück! Ich habe noch einige Ideen, die man ausprobieren könnte. Zum Beispiel könnte ich mich an die Krankenversicherungskommission in Canberra wenden. Wenn er Abrechnungen für ambulante Patienten einreicht, muß man dort seine Adresse haben. Und dann gibt es natürlich auch noch die Australische Ärztevereinigung. Ich glaube, sie haben sämtliche Ärzte in ihrer Datenbank, ob sie Mitglieder sind oder nicht. Schließlich gibt es ja auch noch die staatliche Zulassungsaufsicht. Es bleiben uns also noch allerhand Möglichkeiten, ihn aufzuspüren.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Marissa.
»Viel Glück!« sagte Mr. Hammersmith. »Wir Australier treffen uns gern mit Freunden aus Übersee. Es wäre eine Schande, wenn Sie sich verpassen sollten, nachdem Sie so eine lange Reise gemacht haben.« Sie hatten das Büro kaum verlassen, als Marissa auf der Wendeltreppe anhielt und Wendy fragte: »Du hast doch nichts dagegen, wenn wir diesem Hinweis noch nachgehen, oder? Auch wenn es über unser Abmachung hinausgeht?«
»Da wir schon mal hier sind«, sagte Wendy, »können wir es auch versuchen.«
Sie hatten keine Mühe, die Anatomie zu finden, und fragten dort nach Dr. Lawrence Spenser.
»Im zweiten Stock«, sagte die Sekretärin. »Allgemeine Anatomie. Nachmittags ist er meistens im Labor.«
Auf der Treppe sagte Wendy: »Schon der Geruch allein erweckt bei mir böse Erinnerungen. Wie gut kann ich mich da an meine Studienzeit erinnern! Hat dir Allgemeine Anatomie im ersten Semester zugesagt?«
»Ich fand es nicht schlecht«, sagte Marissa.
»Ich hab’s gehaßt«, sagte Wendy. »Dieser Gestank! Ich kriegte ihn das ganze Vierteljahr lang nicht aus den Haaren.«
Da die Tür zur Allgemeinen Anatomie offenstand, spähten die beiden Frauen hinein. Drinnen standen ungefähr zwölf mit Plastiktüchern abgedeckte Tische. Im Hintergrund hielt sich nur ein einziger Mann auf, der eine Schürze und Gummihandschuhe trug. Er stand mit dem Rücken zu ihnen.
»Entschuldigen Sie!« rief Marissa. »Wir suchen Lawrence Spenser.«
Der Mann drehte sich um. Er hatte dunkles Lockenhaar. Mit den Menschen verglichen, denen Marissa und Wendy bisher begegnet war, sah er blaß aus.
»Sie haben ihn schon gefunden«, sagte der Mann lächelnd. »Was kann ich für Sie tun?«
»Wir möchten Ihnen ein paar Fragen stellen«, rief Marissa.
»Es fällt schwer, sich auf diese Entfernung zu unterhalten«, sagte Spenser. »Kommen Sie rein!«
Marissa und Wendy gingen hinein und suchten sich zwischen den vielen abgedeckten Tischen einen Weg. Die beiden Frauen
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