Marlene Suson 3
schwer wie Blei. Ihre Leidenschaft hatte Morgan abgestoßen. Sie schloß die Augen, zu beschämt, um sei- nem Blick standzuhalten. Jetzt würde er sie ganz bestimmt für eine Kokotte halten.
Ein paar Minuten lagen sie schweigend nebeneinander. Dann spürte sie plötzlich, wie seine Hand leicht über ihre Schenkel und den flachen Leib strich. Er knabberte an ihrem Ohr und flüsterte: „Diesmal lassen wir es aber langsamer angehen.“
Daniela versuchte, ihren Körper zur Untätigkeit zu zwin- gen, doch vergebens. Unter seinen langsamen, geduldigen und so ungemein erregenden Liebkosungen mit Mund und Händen entführte er sie mit unwiderstehlicher Zielstrebigkeit zu jenen berauschenden Höhen, in denen es nichts mehr gab als das beglückende Einswerden ihrer Körper.
Später war Daniela so entspannt und ermattet, daß sie ein- schlief.
Als sie erwachte, saß Morgan auf der Bettkante und starrte nachdenklich aus dem Fenster.
Danielas Herz sank, und sie begann innerlich zu frieren. Jetzt verachtet er mich. Bei dem Gedanken wurde ihr ganz elend. „Was ist mit dir?“ fragte sie tonlos.
„Nichts“, gab Morgan zurück, doch sein anschließender Seuf- zer strafte ihn Lügen. Er stand auf. „Wir sollten jetzt lieber nach
Royal Elms zurückreiten, wenn wir rechtzeitig zum Dinner da sein wollen.“
Daniela schaute durchs Fenster. Am Stand der Sonne er- kannte sie, daß es bis zum Dinner noch mindestens zwei Stun- den dauerte. Andererseits hatte sie es jetzt – dank Morgans sonderbarem Verhalten – genauso eilig wie er, den Witwensitz zu verlassen.
Zum Teufel mit ihm! Das hatte sie nicht verdient. Er hatte sie doch überredet mitzukommen, und sie hätte schwören können, daß er ihre Vereinigung ebenso genossen hatte wie sie. Weshalb blickte er dann jetzt so finster drein?
Auf dem Heimritt war er schweigsam und in sich gekehrt. Daniela war so gekränkt und verletzt, daß sie ihrer Stimme nicht traute. Deshalb machte sie keinen Versuch, das gespannte Schweigen zwischen ihnen zu durchbrechen. Hatte ihr Beisam- mensein ihm nichts bedeutet?
Wieso hatte sie auch geglaubt, daß es anders wäre? Schließlich konnte er schon immer unter Frauen wählen, die bei weitem schöner und charmanter waren als sie. Er hatte ihr ja auch klipp und klar gesagt, daß es ihm nur darum ging, ihr die Angst vor der körperlichen Liebe zu nehmen.
Irgend etwas in der Ferne weckte Morgans Aufmerksamkeit, und er richtete sich in den Steigbügeln auf, um besser sehen zu können.
„Was ist los?“ fragte Daniela.
„Jerome ist zurück.“
Morgan gab seinem Pferd die Sporen. Daniela, die genauso ge- spannt darauf war, was Jeromes Audienz beim König gebracht hatte, folgte ihm so schnell sie konnte. Morgan erreichte das Herrenhaus vor ihr, schwang sich aus dem Sattel und hastete die Treppe zum Eingang hinauf.
Daniela folgte und betrat die Halle gerade rechtzeitig, um Morgan sagen zu hören: „Ich sehe es dir am Gesicht an, daß der König den Freibrief verweigert hat.“
„Seine Majestät vertritt die Meinung, daß er einen solchen Freibrief nur einem Mann und dessen Gemahlin gewähren kann, wenn beide höchsten moralischen Anforderungen genü- gen. Schließlich müssen sie für die Menschen, die in diesem Gemeinwesen leben sollen, ein leuchtendes Vorbild sein.“
„Mit anderen Worten, ein Junggeselle kommt nicht in Frage“, konstatierte Morgan.
„So ist es. Und du solltest am besten eine Nonne heiraten“, fuhr Jerome sarkastisch fort. „Ich fürchte, an jeder normalen Frau wird der König etwas zu mäkeln haben.“
Daniela zuckte zurück. Besonders an einer Frau, deren Ruf ruiniert ist. Damit war für sie jede Möglichkeit dahin, Morgan vielleicht doch noch zu heiraten. Selbst wenn er es wollte, was er ja nicht tat, konnte sie doch nicht den Traum seines Lebens zerstören. Der winzige Hoffnungsschimmer, den Daniela allen Widrigkeiten zum Trotz immer noch gehegt hatte, verwehte.
Beim Dinner war Morgan schweigsam, düster und tief in Ge- danken versunken. Ob er sich wohl den Kopf darüber zerbrach, welche Frau er heiraten könnte, um den hohen Anforderungen des Königs Genüge zu leisten? Zwei– oder dreimal streifte sie ihn mit einem Blick und ertappte ihn dabei, daß er sie mit gerunzel- ter Stirn beobachtete, doch wann immer sie zu ihm hinübersah, wandte er den Blick ab.
Als sie das Eßzimmer verließen, entschuldigte Morgan sich un- ter dem Vorwand, allein sein zu wollen. Er wünschte allen eine gute Nacht und
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