Marsha Mellow
erwachsen und beim FBI. Nein, mich überrascht nichts mehr.
»Was sollen wir tun, Sir?«, fragt sie. »Sie wieder zurückschicken?«
»Ich brauche aber Personenschutz«, stammle ich. »Ich muss mich verstecken ... vor meiner Mutter.«
»Dann sind Sie am richtigen Ort«, meint Tommy Lee Jones und zeigt auf das weiß gestrichene Gebäude, das mein neues Zuhause sein wird. »Bei den meisten Ihrer Nachbarn handelt es sich um Informanten von der Straße. Außerdem haben wir noch ein paar ehemalige Mitglieder des kolumbianischen Drogenkartells sowie ein paar ehemalige russische Spione - Relikte aus dem Kalten Krieg, die inzwischen aber gar nicht mehr von hier wegwollen. Alles in allem eine ziemlich gute Mischung - Gemeinschaftsgeist wird hier groß geschrieben ... Oh, und schließen Sie Bekanntschaft mit dem Teenager aus Nr. 37. Er ist zwar erst 14, aber Sie beide haben etwas gemeinsam. Auch er musste von zu Hause weglaufen, nachdem seine Mutter die ganzen Playboy-Hefte unter seiner Matratze entdeckt hatte.«
Das ist es also. Kein normales Leben mehr, keine Freunde, keine Familie. Stattdessen darf ich jetzt Bekanntschaft schließen mit einem Haufen Mafia-Abtrünniger und mit Drogenschmugglern im Ruhestand ... Ach, ja, und mit dem kleinen Lüstling, der sich vor seiner Mami versteckt.
Mir treten Tränen in die Augen.
Tommy Lee Jones nickt Agent Flugmann - Velma - kurz zu, woraufhin diese an meine Seite eilt und mir ein steifes weißes FBI-Taschentuch anbietet.
»Hier, hier, Ma am«, tröstet sie mich unbeholfen, wobei sie mir den Arm tätschelt. »Flüssigkeitsabsonderungen des Sehorgans sind eine typische Reaktion auf die plötzliche Abspaltung von traditionellen Familienstrukturen. Mit der Zeit werden Sie sich daran gewöhnen, und ...«
»... im Namen von Virgin Atlantic bedanken wir uns bei Ihnen, dass Sie mit uns geflogen sind, und hoffen, dass wir uns bald wiedersehen.«
Hä? ... Scheiße ... Ist es schon so weit?
Blinzelnd öffne ich die Augen und spüre mit einem Mal den Druck auf den Ohren, da wir uns gerade im Sinkflug durch die Wolken befinden. Ich habe den gesamten Flug nach New York verschlafen und bin deswegen stinksauer. Jetzt reise ich zum ersten Mal in meinem Leben in der Business Class und verpasse das Beste. Den Champagner, die Massage, die Maniküre, die zigtausend Spielfilme, zwischen denen ich die Wahl habe, die gratis Frotteepantoffeln, um mir zwischendurch mal die Beine zu vertreten - wahrscheinlich auch noch ein Unterhaltungsprogramm mit Tänzern, Jongleuren und einem amerikanischen Star-Comedian. Nicht zu vergessen das Essen. Was auch immer während des Fluges serviert worden ist, es war bestimmt besser als das übliche »Huhn-oder-Rind?« auf meinen Charterflügen nach Alicante - im schlimmsten Fall war es zumindest genießbar.
Jetzt habe ich eine Unsumme Geld für diesen Flug hingeblättert, und alles, was ich davon habe, ist ein dämlicher Traum, in dem Velma aus Scooby Doo vorkommt. Na schön, Tommy Lee Jones ebenfalls, aber trotzdem ist es lachhaft. Das war das teuerste Nickerchen meines Lebens. Offenbar hatte ich es bitter nötig.
Nachdem ich gestern Abend vor Lewis geflüchtet bin, ging ich direkt zu mir nach Hause, wobei ich im Stillen betete, dass mich Colin Mount dort nicht erwarten würde. Ich habe ihm zwar nie meine Adresse gegeben, aber schließlich ist er Privatdetektiv. Auch wenn er kein Sherlock Holmes ist, hat er dennoch erstaunlich viel über Miss Riemchenpumps herausgefunden - inklusive ihrer Körbchengröße. Es dürfte nicht allzu schwer sein, meine Adresse herauszufinden.
Sobald ich in meiner Wohnung war, klapperte ich als Erstes die Fluggesellschaften telefonisch ab. Dabei fand ich heraus, dass man jederzeit überallhin fliegen kann, vorausgesetzt, Geld spielt keine Rolle. Innerhalb von zwanzig Minuten hatte ich meinen Flug gebucht, und mir ging durch den Kopf, dass ich mich an meinen neuen Reichtum doch gewöhnen könnte. Heute Morgen ließ ich mich dann von einem Taxi abholen. Nachdem ich mich vorher mit einem Blick durch das Fenster vergewissert hatte, dass mein Erpresser nicht hinter irgendeinem Baum lauerte, verlor ich keine weitere Sekunde, und es ging los.
Während der Fahrt nach Gatwick musste ich ein paar Telefonate erledigen. Zuerst im Büro. Ich hatte gehofft, die Mailbox zu erwischen, aber leider hatte Deedee beschlossen, dass ich ihr Anrufer des Monats sei, um den sie sich persönlich kümmern müsse.
»Es tut mir wirklich Leid«, sagte ich, »aber
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