Martin, Kat - Perlen Serie
Tory fluchen, die wild gestikulierend auf Cord zueilte.
26. KAPITEL
„Was zum Teufel ...?" Cord starrte fassungslos auf die zierliche
Frau, die durch die Dunkelheit auf ihn zuhastete. „Verdammt!
Victoria, was um alles in der Welt machst du hier?"
„Das kann ich dir jetzt nicht erklären!" Sie versuchte, wie-
der zu Atem zu kommen, und griff verzweifelt nach Cords Arm.
„Wir müssen uns beeilen! Grace hat den Botenjungen gesehen
und ist ihm gefolgt. Wir müssen sie einholen, bevor wir sie aus
den Augen verlieren!"
Mit grimmiger Miene folgte Cord seiner Frau, die ihn unge-
duldig mit sich zog. „Wenn wir wieder zu Hause sind, kannst
du dich auf was gefasst machen, das schwöre ich dir!"
Tory lächelte und rollte die Augen, denn sie wusste, dass sie
von Cord nichts zu befürchten hatte. Rafe lief neben ihnen her,
und plötzlich hörten sie auch Ethans schnelle Schritte aus der
Dunkelheit kommen.
„Er hat mich abgehängt", rief er. „In einem Augenblick war
er noch da, und im nächsten ...", er brach mitten im Satz ab,
als er Victoria bemerkte. „Was zum Teufel macht deine Frau
hier?" Wie ein Schock durchfuhr ihn die Erkenntnis, dass Tory
wohl kaum ohne Grace gekommen sein würde. Er sah Victoria mit einem durchdringenden Blick an, der
eine weniger resolute Frau eingeschüchtert hätte. „Wo ist sie?", wollte er wissen.
Cord antwortete anstelle seiner Frau. „Grace hat den Jungen gesehen und ist ihm hinterhergerannt."
„O mein Gott!"
„Sie wollte nicht, dass wir seine Spur verlieren", fügte Victoria hinzu. „Dort entlang ist sie gegangen." Sie zeigte in Richtung einiger heruntergekommener Gebäude, die in der Finsternis kaum zu erkennen waren. Nur das schwache Licht des Mondes, das ab und an durch die Wolken fiel, half ihnen, sich zurechtzufinden. „Kommt! Wir müssen uns beeilen!" Ethan folgte Victoria in die Dunkelheit, und die Angst um Grace ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. Nun war nicht nur sein Sohn, sondern auch noch seine Frau in Gefahr.
Als sie die Stelle erreicht hatten, an der Victoria ihre Freun- din zuletzt gesehen hatte, war in der pechschwarzen Nacht we- nig zu erkennen. Von Grace fehlte jede Spur.
„Verteilt euch", wies Ethan die anderen an. „Wir müssen sie finden."
Cord und Victoria gingen nach links, Rafe nach rechts, und Ethan folgte dem Weg, den sie gekommen waren. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er musste Grace finden! Der Ge- danke, sie verlieren zu können, war ihm unerträglich.
Die Männer suchten die nähere Umgebung ab, und wertvolle Minuten vergingen. Aber noch immer fand sich kein Anzeichen von Grace oder dem Jungen, dem sie gefolgt war.
Grace blieb dem abgemagerten Straßenjungen mit dem zer- zausten Haar, seinem dreckigen Hemd und den grob gewebten braunen Hosen dicht auf den Fersen. Auf einmal sah sie ihn ei- nige Lehmstufen hinuntersteigen und durch eine Öffnung ver- schwinden, die wahrscheinlich früher ein Hauseingang gewe- sen war. Der Durchgang führte in ein verfallenes Gästehaus. Grace schauderte, wenn sie sich vorstellte, was für Bewohner hier wohl hausen mochten.
In der Hoffnung, dass Tory und die Männer ihr bis hierher hatten folgen können, wartete sie kurz. Doch sie durfte auch nicht zu viel Zeit verschwenden. Nach wenigen Augenblicken stieg sie daher leise die Stufen hinunter, bückte sich dann un- ter dem baufälligen Eingang hindurch und betrat den Keller des Gebäudes.
Dort war es beängstigend finster, und nur ein schmaler Licht- streifen drang durch den Spalt einer Tür, zu der eine wacke- lige Holzstiege führte. Der Raum roch nach Moder und Schim- mel, und die Spinnweben, die von der niedrigen Decke hingen, streiften Grace' Gesicht. Sie versuchte, nicht daran zu denken, was in der Dunkelheit wohl noch alles lauern mochte, und hielt ihren Blick auf den Jungen gerichtet, der die Holzstufen hinaufstieg und durch die Tür verschwand.
Eilig folgte sie ihm, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und erstarrte jedes Mal, wenn eine der Stufen laut knarrte. Oben angekommen, musste sie sich kurz umschauen, bevor sie den Jungen entdeckte. Er befand sich bereits auf der Treppe, die in den ersten Stock führte. Mit wachsendem Unbehagen nahm sie erneut die Verfolgung auf und wünschte sich, dass Ethan bald käme. Sie konnte nur hoffen, dass es ihm überhaupt gelang, sie zu finden.
Wenn die Männer nicht bald auftauchten, würde sie nur ver- suchen herauszufinden, wohin der Junge gegangen war, dann umkehren und
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