MASKENBALL UM MITTERNACHT
Lady Haughston.
Bei ihrem Eintreten blickte Francesca lächelnd auf, bevor sie sich wieder der Stickerei widmete. „Habt ihr das Problem gelöst?“, fragte sie leichthin.
„Ja.“ Nach kurzer Pause fuhr Callie fort: „Warum hast du mir die ganze Zeit verschwiegen, dass Lord Bromwell meinen Bruder verabscheut?“
Ein rosiger Hauch überzog Francescas Wangen. „Ich … mir war nicht klar, dass Lord Bromwell ihn verabscheut oder wie sehr er ihn hasst. Ich vermutete nur, dass eine gewisse Abneigung zwischen den beiden besteht … wegen … weil der Duke und …“ Sie führte den Satz nicht zu Ende.
„Und Lady Daphne?“, half Callie ihr auf die Sprünge.
Francesca hob verdutzt den Kopf. „Er hat es dir gesagt?“
Callie zuckte die Achseln. „Es blieb ihm nichts anderes übrig. Ich wollte mich nicht länger mit Andeutungen abspeisen lassen, warum er so strikt dagegen war, dass ich mich mit Lord Bromwell treffe. Warum er solche Befürchtungen hegte, Lord Bromwell könne böse Absichten mit mir haben. Und nachdem er damit herausrückte, dass Bromwell ihn zum Duell gefordert hat …“
„Was?!“ Francesca erschrak so sehr, dass ihr der Stickrahmen vom Schoß glitt und auf dem Parkettboden landete. „Er hat Sinclair gefordert?“
„Ja. Hast du das etwa nicht gewusst?“
Francesca schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre goldenen Löckchen einen wilden Tanz aufführten. „Nein! Er muss verrückt gewesen sein! Jeder weiß, dass Rochford ein Meisterschütze ist.“
„Daran hat er vermutlich in seinem blinden Zorn nicht gedacht“, erklärte Callie. „Er war damals ja erst siebzehn oder achtzehn und … nun ja, er glaubte, Sinclair habe sich seiner Schwester gegenüber wie ein Schuft benommen, habe sie verführt, eine Affäre mit ihr gehabt und sie anschließend im Stich gelassen. Diese Anschuldigungen hat er gegen ihn erhoben, wobei Sinclair mir das, wie du dir denken kannst, nicht in so freimütigen Worten berichtete.“
Francesca stieß einen verächtlichen Laut aus. „Pah! Als wäre es nötig gewesen, Lady Daphne zu verführen!“
„Bromwell liebt seine Schwester sehr. Er hat immer sehr herzlich von ihr gesprochen. Ich bin davon überzeugt, ihm war damals nicht klar, was für ein Mensch seine Schwester ist. Er war blutjung und lebte außerdem im College in Oxford.“
„Natürlich. Und Daphne jammerte ihm zweifellos die Ohren voll, ihr sei Unrecht geschehen, und erhoffte sich damit, einen Antrag deines Bruders zu erzwingen. Sie wäre zu gerne die Duchess of Rochford geworden.“
„Offenbar kannte sie Sinclair nicht gut genug“, bemerkte Callie.
Ein flüchtiges Lächeln berührte Francescas Lippen. „Nein. Vermutlich nicht. Rochford lässt sich nicht unter Druck setzen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Was ist weiterhin geschehen? Hat Rochford dir mehr erzählt? Er hat sich doch nicht auf ein Duell mit dem Grünschnabel eingelassen, wie?“
„Nein, natürlich nicht. Aber er bedauert, sich damals nicht richtig verhalten zu haben. In seinem Zorn hat er offenbar Lord Bromwells Stolz tief verletzt, der seither einen bitteren Groll gegen ihn hegt. Und als der die Chance witterte, Vergeltung an Sinclair zu üben, packte er die Gelegenheit beim Schopfe.“ Callie zuckte gleichmütig mit den Achseln. „Er umwarb die Schwester des Dukes, um sich ohne Erklärung von ihr abzuwenden und sie den Lästermäulern des ton zum Fraß vorzuwerfen.“
„Oh Callie, das tut mir schrecklich leid.“ Francesca ergriff die Hand der Freundin, und Callie sah, dass ihre Augen in Tränen schwammen. „Ich hatte keine Ahnung, dass er den Duke immer noch hasst. Und von der Forderung zum Duell wusste ich nichts. Damals hatte ich … nun ja, nur mein Debüt im Kopf, und Lord Haughston hatte gerade um meine Hand angehalten. Ich war so sehr mit mir beschäftigt, dass ich mich nicht für Gesellschaftsklatsch interessierte.“ Francesca hütete sich, zu erwähnen, dass sie damals jede Zerstreuung suchte, um ihre Gedanken vom Duke of Rochford abzulenken.
„Ehrlich gestanden, brachte ich Lord Bromwell anfangs etwas Argwohn entgegen“, fuhr Francesca fort. „Aber eigentlich nur, weil er Lady Swithingtons Bruder ist und ich ihn für ebenso habgierig, missgünstig und ausschweifend hielt wie sie. Ich hatte auch Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Werbung um dich und befürchtete, er könne immer noch gegen Rochford eingenommen sein, glaubte aber nicht, das Recht zu haben, mit dir darüber sprechen zu dürfen. Ich wollte
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