Maskerade in Rampstade (German Edition)
für eine kurze Zeit einen Plan zu fassen. Noch kürzer ihn auszuführen. Was sollte ich bloß tun? An wen konnte ich mich wenden?
Wenn doch mein Bruder dagewesen wäre! Ihm hätte ich mich anvertrauen können. Ich wußte, er würde zu mir halten, auch wenn mein Auserwählter ein Straßenräuber war. Ich fuhr auf. Jojo war kein gewöhnlicher Straßenräuber. Jojo war ein Mörder. Der Mörder des Wirtes von den »Drei Bettlern«. Hätte James auch zu mir gehalten, wenn es darum ging, einen Mörder zu befreien? Ich, Sophia Matthews, liebte einen Mörder. Einen Mann, der imstande war einen alten, wehrlosen Wirt zu erwürgen.
Todmüde fiel ich am Abend ins Bett. Ich hatte Kopfschmerzen vorgeschützt und war nicht zum Dinner nach unten gegangen. Ich hätte keinen Bissen hinunterbringen können. Und ich fand auch keinen Schlaf. Immer wieder versuchte ich mir die Szene vorzustellen, wie sich Jojo in das verlassene Wirtshaus schlich und seine Hände, seine schlanken Finger, um den Hals eines alten Mannes legte und zudrückte. Doch es gelang mir nicht. Vielleicht war er es gar nicht? Vielleicht hatte man ihn völlig zu Unrecht in Verdacht! Und doch hatte ich Jojo mit eigenen Augen in dem verlassenen Wirtshaus gesehen. Hatte ich seine Bande nicht dabei ertappt, wie sie sich an den Vorräten des toten Wirtes gütlich tat? Trog mich meine Erinnerung oder hatte da einer der Männer wirklich den Namen des Wirtes ausgesprochen, als Jojo das Hmterzimmer betrat? Und war ihm dieser nicht brüsk ins Wort gefallen? Ja, das hatte er getan. Und doch, waren dies schon ausreichende Beweise für seine Schuldigkeit?Was, wenn er unschuldig war. Er mußte unschuldig sein. Wenn mir doch jemand…
Mit einem Ruck setzte ich mich im Bett auf. Jem! Jem, der Bursche des Earl of Crisdemaine. Er war doch mit Jojo auf sehr vertrautem Fuße gestanden. Ob er wohl mehr über die Sache wußte? Ob er bereit war, mir zu helfen? Es schien, als herrschte ein besonderes Einvernehmen zwischen den beiden. Ja, das war die Lösung! Wie gut, daß mir der Bursche eingefallen war. Ich würde gleich am nächsten Morgen mit Jem Kontakt aufnehmen. Gemeinsam würden wir entscheiden, was zu tun war. Dieser Plan trug erheblich dazu bei, daß ich mich beruhigte. Und als ich mich wieder in meine Kissen zurücklehnte, war ich bald eingeschlafen.
Das Frühstück am nächsten Morgen war die reinste Qual. Hetty und George waren unerträglich gut gelaunt und schmiedeten voller Tatendrang Pläne für unser gemeinsames Tagesprogramm. Wie gerne hatte ich in den vergangenen Wochen an ihren Unternehmungen teilgenommen. Heute ging mir ihr fröhliches Geplauder ganz schrecklich auf die Nerven. Meine Gedanken kreisten um ein zentrales Problem. Wie kam ich nach Grandfox Hall? Und was sollte ich unternehmen, wenn ich Jem dort nicht vorfinden würde?
»Du bist so schweigsam, Sophia. Ist dir nicht gut?« hörte ich Hettys besorgte Stimme.
Ich schüttelte den Kopf und versuchte einen fröhlichen Ton anzuschlagen: »Ein bißchen Kopfschmerzen. Nicht weiter schlimm.«
Miss Heather, die sich zum Frühstück zu uns gesellt hatte, um uns über die Details des Gesundheitszustands unserer Gastgeberin auf dem laufenden zu halten, meldete sich umgehend zu Wort. »Aber mein liebes, liebes Kind. Du solltest dich ins Bett legen. Mit Kopfschmerzen ist nicht zu spaßen! Wenn ich da nur an William denke, meinen Vetter William, den Earl of Stains-field. Kannst du dich eigentlich an den noch erinnern, George? Nein, ich glaube nicht, der war vor deiner Zeit. So ein stattlicher, gutaussehender Mensch, groß, mit vollem grauem Haar undeinem eindrucksvollen Schnurrbart. Wie war der immer gesund und vor Kraft strotzend. Wie das blühende Leben, habe ich immer gesagt. Eines Tages klagte er über Kopfschmerzen. Ich war damals natürlich nicht dabei, aber Lina, seine Frau Lina – die kennst du aber, George, nicht wahr? So eine kleine, unscheinbare Frau, die nie zu reden aufhört, wenn sie einmal anfangt…«
»Ja, solche Frauen kenne ich«, erwiderte George. Er blickte sie dabei mit einer Miene vollkommener Unschuld an, so daß Miss Heather nicht sicher sein konnte, ob er mit dieser Bemerkung nicht etwa sie selbst gemeint hatte.
»Er ignorierte den Kopfschmerz und kurz darauf war er tot«, schloß sie abrupt ihre Ausführungen und warf ihrem Großneffen einen vernichtenden Blick zu. »Also bitte, mein liebes Kind, lege dich ins Bett«, wandte sie sich wieder freundlicher an mich. »Und sage deiner Zofe, sie
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