Matzbachs Nabel
Flaschenhals an sein Kinn; als er weitersprach, blies er die Wörter über die Öffnung, in der sie hohl jaulten.
»Ich hatt ne Enkelin. Süße Kleine, Sonnenscheinchen. Drei Jahre, immer fröhlich. Is von nem Rottweiler zerrissen worden.«
21. Kapitel
Am Sonntagvormittag führte Matzbach ein für die frühstückenden Ohrenzeugen rätselhaftes Telefonat mit wem auch immer; danach beendete er sein umfangreiches Morgenmahl und überließ den anderen die Diskussion über vagabundierende Moto-Gangs, einen Bestattungstermin für Pauly, Sicherheitsvorkehrungen gegen ähnliche Überfälle und mögliche Zerstreuungen für den Tag. Er hatte wenig über Finkele erzählt, nur, daß er sich für den Abend noch einmal mit ihm verabredet habe. Als er höflich nickend das Haus verließ, in den Wagen stieg und abfuhr, war es nicht einmal Mittag. Jorinde schien mehr zu wissen, sagte aber nichts.
Abends kam er zurück, in tiefer Nachdenklichkeit.
»Na, wo hast du dich rumgetrieben?« sagte Genenger, der am Billardtisch stand und versuchte, die schwarze Kugel in eine der seitlichen Mitteltaschen zu stoßen.
»Bonn.«
»Bonn? Am Sonntag? Da klappen die doch die Bürgersteige hoch, oder?«
»Nur im Regierungsghetto, Junge, aber das liegt sowieso außerhalb der Stadt, irgendwo am Rand des Niemandslands.«
»Ah ja. Und?«
Matzbach deutete allgemein ins Haus. »Wo sind die alle?«
»Ausgeflogen. Arbeiten, Knutschen. Was weiß ich. Jorinde ist glaub ich in der Badewanne. Dschinnie ist für zwei Tage zu Verwandten im Hunsrück.«
Matzbach runzelte die Stirn. »Hm. Ich wollte eigentlich gern eine große Konferenz abhalten, was Maßnahmen und Hilfspersonal und Risikoeinsätze und derlei angeht.«
Genenger schnaubte. »Sehr witzig. Très witzhaft, sozusagen. Mußt du bis morgen früh warten; dann sind Yü und Dany und Bergner auch wieder da. Worum geht’s denn?«
Matzbach winkte ab. »Später, nachher, morgen, nächste Woche.« Er verschwand im Flur, wanderte treppauf und fand Jorinde, malerisch drapiert in grünen Schaum, bei der Lektüre einer kindgerecht gekürzten Fassung von
Robinson Crusoe
. Sie wirkte allerdings nicht besonders konzentriert und legte das Buch beinahe mit Erleichterung auf den Wannenrand.
»Na, verwegener Kämpe?«
»Nix Kämpe. Ich hab nur ein paar Erkundigungen eingezogen. Und du, edle Frouwe?«
Sie schloß einen Moment die Augen. »Ich hatte heut nen Anruf von Elvira. So was wie Abbruch der Beziehungen. Will nach der Vorstellung auf dem Friedhof nichts mehr mit mir zu tun haben.« Ihre Augen öffneten sich und waren ein wenig trüb.
»Das tut mir leid; wahrhaftiglich. Ich meine, du weißt ja, was ich von ihr halte, aber sie ist, war, ja deine älteste und lange Zeit beste Freundin, oder?«
»Hmh. Im Lauf der Jahre haben wir uns natürlich auseinanderentwickelt, bloß ist ihr das wohl erst gestern so richtig klar geworden.«
»Sie wußte aber doch, wie du deine Brötchen verdienst.«
»Ja-a, das schon; aber mitgekriegt hat sie nur irgendwann mal was mit Tischrücken und Kristallkugel. Gestern abend, das ging ihr an die Substanz, hat sie gesagt. Damit will sie nichts zu tun haben.«
Matzbach langte nach dem dicken Schwamm, der auf der Seifenschale lag. »Soll ich dir den Rücken schrubben?«
Sie lachte. »Schwamm drüber?«
»Zum Beispiel.«
»Ja, gern. – Und? Hast du was erreicht?«
»Kann man so sehen.«
»Was denn? Jaaa, guut. Tiefer.«
»Voilà, Madame. – Tja, was hab ich erreicht? Ich hatte eine längere Arbeitssitzung mit diesem Hacker, von dem ich dir erzählt hab. Was die Heiligkeit des Datenschutzes angeht, weißt du.«
»Ist er wirklich heilig?«
»Auf dem Papier schon. Die Daten sind da; wenn man weiß wie man’s anstellen muß, kommt man auch ran, aber natürlich darf man nicht.«
»Was hat’s gekostet, was hat’s gebracht?«
»Tausend. Und gebracht hat’s ein paar zwiespältige Dinge. Dieser Finkele, der mir nachher noch ein bißchen erzählen will, war tatsächlich Vollmatrose – zuletzt.«
»Und vorher?«
»Tja, vorher war er Marine. Ist vor Jahren als Kapitänleutnant ausgestiegen, einfach so, unter Verzicht auf alle weiteren Ansprüche. Danach ist er als Vollmatrose gefahren, sehr ungewöhnlich. Und seit fünf Jahren gibt’s ihn nicht mehr, datenmäßig.«
»Wie geht das?«
»Das weiß ich auch nicht; jedenfalls ist er futsch. Mal hören, was er zu erzählen hat.«
»Und du willst morgen mittag tatsächlich in diese komische Klinik, wegen deiner
Weitere Kostenlose Bücher