Maurice, der Kater
schmutzige, stinkende Dunkelheit…
»Ja, das sind wir«, bestätigte Pfirsiche. »Aber was sind wir oben? Das
hast du früher immer gesagt. Komm – bitte! Lass uns zurückkehren. Es
geht dir nicht gut.«
»Es erschien mir alles so klar…«, murmelte Gefährliche Bohnen.
»Leg dich hin. Du bist müde. Ich habe noch einige Streichhölzer übrig.
Du weißt ja, dass du dich immer besser fühlst, wenn du Licht siehst…«
Zutiefst besorgt und auch von einem Gefühl der Hilflosigkeit begleitet,
ging Pfirsiche zur Wand, suchte eine raue Stelle und zog dann ein
Streichholz aus ihrer einfachen Tasche. Der rote Kopf entzündete sich,
und sie hielt das Streichholz so hoch wie möglich.
Überall sah sie Augen.
Was ist das Schlimmste?, dachte sie, vor Angst erstarrt. Dass ich die
Augen sehen kann? Oder dass ich weiß, dass sie noch da sind, wenn das
Streichholz ausgeht? »Und ich habe nur noch zwei…«, murmelte sie.
Die Augen wichen geräuschlos in die Schatten zurück. Wie können
Ratten so still sein?, fragte sich Pfirsiche.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte Gefährliche Bohnen.
»Ja.«
»Es gibt hier etwas«, fuhr er fort. »Ich habe es an dem Kiekie gerochen, den sie in der Fal e fanden. Es ist eine Art von Entsetzen, und das rieche
ich jetzt auch an dir.«
»Ja«, sagte Pfirsiche.
Das Streichholz brannte schnel .
»Kannst du sehen, was wir tun sol ten?«, fragte Gefährliche Bohnen.
»Ja.« Die Augen waren verschwunden, aber Pfirsiche sah sie noch
immer auf beiden Seiten.
»Was können wir tun?«, fragte Gefährliche Bohnen.
Pfirsiche schluckte. »Wir könnten uns wünschen, mehr Streichhölzer
zu haben«, erwiderte sie.
Und in der Dunkelheit hinter ihren Augen ertönte eine Stimme. Und so,
in eurer Verzweiflung, kommt ihr schließlich zu mir…
Licht hat einen Geruch.
In den dunklen, feuchten Kel ern flog der scharfe Schwefelgeruch des
Streichholzes wie ein gelber Vogel, stieg auf und kroch durch Ritzen. Es
war ein sauberer, bitterer Duft, der wie ein Messer durch den Gestank in
der unterirdischen Welt schnitt.
Er erreichte die Nase von Sardinen, der den Kopf drehte.
»Streichhölzer, Boss!«, sagte er.
»In diese Richtung!«, entschied Sonnenbraun sofort.
»Der Weg führt durch den Raum mit den Käfigen, Boss«, warnte
Sardinen.
»Und?«
»Weißt du noch, was beim letzten Mal geschah, Boss?«
Sonnenbraun sah sich seinen Trupp an, der nicht unbedingt das
Optimum war. Es kamen noch immer Ratten aus Verstecken zurück,
und einige Ratten – gute, vernünftige Ratten – waren bei der wilden
Flucht in Fal en oder an Gift geraten. Er hatte die Besten ausgewählt. Zur
Gruppe gehörten einige der erfahrenen Alten, wie In Salzlake und
Sardinen, aber die meisten von ihnen zählten zu den Jungen. Viel eicht
war das gar nicht so schlecht, dachte Sonnenbraun. Vor al em die Älteren
neigten dazu, in Panik zu geraten. Sie waren weniger als die Jungen ans
Denken gewöhnt.
»Na schön«, sagte er. »Wir wissen nicht, was…«, begann er und
bemerkte Sardinen, der andeutungsweise den Kopf schüttelte.
Oh, ja. Anführern war es nicht erlaubt, etwas nicht zu wissen.
Er musterte die jungen, besorgten Mienen, holte tief Luft und fing
noch einmal an. »Es gibt etwas Neues hier unten«, sagte er, und plötzlich
fielen ihm die richtigen Worte ein. »Etwas, das nie jemand zuvor gesehen
hat. Etwas Zähes und Starkes.« Die Ratten duckten sich unwillkürlich, bis
auf Nahrhaft, die Sonnenbraun aus glänzenden Augen ansah.
»Etwas Fürchterliches. Etwas, das ganz plötzlich zuschlagen kann.«
Sonnenbraun beugte sich vor. »Ich meine euch. Ihr al e. Ratten mit
Gehirnen. Ratten, die denken können. Ratten, die sich nicht umdrehen
und fliehen. Ratten, die die Dunkelheit ebenso wenig fürchten wie Feuer,
Geräusche, Fal en und Gift. Nichts kann Ratten wie euch aufhalten!«
Er erinnerte sich an etwas. »Ihr kennt den Dunklen Wald aus dem Buch.
Wir sind hier im Dunklen Wald. An diesem Ort gibt es auch noch etwas
anderes. Etwas Schreckliches. Es verbirgt sich hinter eurer Furcht. Es
glaubt, euch aufhalten zu können, aber da irrt es sich. Wir werden es
finden, aus seinem Versteck zerren und dafür sorgen, dass es bereut,
jemals geboren zu sein! Und wenn wir sterben…« Er sah, wie die Blicke der Zuhörer zu der Wunde auf seiner Brust glitten. »Der Tod ist gar nicht so
schlecht. Sol ich euch von der Knochenratte erzählen? Sie wartet auf
jene, die fliehen und sich irgendwo
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