Maurice, der Kater
Bürgermeister ging bereits fort. Sonnenbraun
kletterte am Tischbein hinab und folgte ihm. Niemand schenkte ihnen
Beachtung.
Der Bürgermeister wartete, bis Sonnenbrauns Schwanz aus dem Weg
war, bevor er die Tür schloss.
Der Raum war klein und nicht aufgeräumt. Papier lag überal dort, wo
es Platz dafür gab. Bücherregale zogen sich an mehreren Wänden entlang.
Weitere Bücher und noch mehr Papier waren oben zwischen Bücher und
Regale geklemmt.
Der Bürgermeister schob sich vorsichtig durch das Durcheinander,
nahm auf einem großen, alten Drehstuhl Platz und sah zu Sonnenbraun.
»Ich möchte vermeiden, dass es zu Missverständnissen kommt, deshalb
halte ich es für besser, wenn wir beide ein… persönliches Gespräch
führen«, sagte er. »Kann ich dich hochheben? Ich meine, wir können
leichter miteinander reden, wenn du auf meinem Schreibtisch sitzt…«
»Nein«, sagte Sonnenbraun. »Und wir können leichter miteinander
reden, wenn du flach auf dem Boden liegst.« Er seufzte, zu müde für
solche Spiele. »Wenn du deine Hand flach auf den Boden legst – dann
trete ich darauf, und du kannst mich hochheben. Aber wenn du
irgendetwas Scheußliches versuchst, beiße ich dir den Daumen ab.«
Der Bürgermeister hob ihn mit großer Vorsicht hoch. Sonnenbraun
sprang in das Chaos aus Papieren, leeren Teetassen und alten Stiften auf
dem rissigen Leder. Von dort aus blickte er zu dem verlegenen Mann
empor.
»Ah… hast du es in deinem Amt ebenfal s mit so viel Papierkram zu
tun?«, fragte der Bürgermeister.
»Pfirsiche schreibt Dinge auf«, erwiderte Sonnenbraun schlicht.
»Das ist die kleine Rattenfrau, die immer hustet, bevor sie spricht, nicht
wahr?«, fragte der Bürgermeister.
»Ja.«
»Sie ist sehr… präzise«, sagte der Bürgermeister, und Sonnenbraun sah
nun, dass er schwitzte. »Einige Stadträte hat sie ziemlich eingeschüchtert,
ha ha.«
»Ha ha«, sagte Sonnenbraun.
Der Bürgermeister wirkte zutiefst unglücklich und suchte nach Worten,
um etwas zu sagen. »Hast du dich, äh, gut eingerichtet?«, fragte er.
»Ich habe die letzte Nacht damit verbracht, in einer Rattengrube gegen
einen Hund zu kämpfen, und dann saß ich eine Zeit lang in einer Fal e
fest«, antwortete Sonnenbraun mit einer Stimme wie Eis. »Und dann gab
es eine Art Krieg. Abgesehen davon kann ich nicht klagen.«
Der Bürgermeister musterte ihn besorgt. Zum ersten Mal in seinem
Leben spürte Sonnenbraun, wie ihm ein Mensch Leid tat. Der dumm
aussehende Junge war anders gewesen. Der Bürgermeister schien ebenso
müde zu sein wie Sonnenbraun.
»Weißt du«, sagte Sonnenbraun, »ich glaube, es könnte klappen – wenn
es das ist, was du mich fragen möchtest.«
Die Miene des Bürgermeisters erhel te sich. »Im Ernst? Am Tisch dort
drüben wird viel gestritten.«
»Deshalb glaube ich, dass es klappen könnte«, sagte Sonnenbraun.
»Menschen und Ratten streiten sich. Ihr vergiftet nicht unseren Käse,
und wir pinkeln nicht in eure Milch. Es wird nicht leicht sein, aber es ist
ein Anfang.«
»Es gibt da etwas, über das ich Bescheid wissen muss«, sagte der
Bürgermeister.
»Ja?«
»Ihr hättet unsere Brunnen vergiften können. Es wäre euch möglich gewesen, unsere Häuser in Brand zu setzen. Von meiner Tochter weiß
ich, dass ihr sehr… modern seid. Ihr schuldet uns nichts. Warum habt ihr
nichts gegen uns unternommen?«
»Zu welchem Zweck?«, erwiderte Sonnenbraun. »Und was hätten wir
anschließend tun sollen? Zur nächsten Stadt weiterziehen und dort alles
zerstören? Was wäre durch das Töten für uns besser geworden? Früher
oder später hätten wir ohnehin versuchen müssen, mit den Menschen zu
reden. Warum also nicht mit euch?«
»Ich bin froh, dass ihr uns mögt!«, sagte der Bürgermeister.
Sonnenbraun öffnete den Mund, um zu sagen: Euch mögen? Wir
hassen euch nur nicht genug. Wir sind keine Freunde. Aber…
Von jetzt an gab es keine Rattengruben, Fal en und Gift mehr.
Zugegeben, er musste dem Clan erklären, was die Aufgaben eines
Polizisten waren und warum ein Rattenwächter Ratten verfolgte, die
gegen die neuen Regeln verstießen. Es würde ihnen nicht gefal en. Es
würde ihnen ganz bestimmt nicht gefallen. Selbst eine Ratte, an der die Zähne der Knochenratte Spuren hinterlassen hatten, musste dabei
Probleme erwarten. Aber wie Maurice gesagt hatte: Sie machen das, und
du machst dies. Niemand wird viel verlieren, und al e gewinnen viel. Die
Stadt blüht
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