Max, mein Großvater und ich
müssten draußen warten.
Wir fanden einen Warteraum am Ende des Flurs. Irgendjemand hatte ein kümmerliches Plastik-Weihnachtsbäumchen auf den Couchtisch gestellt. Er sah aus, als würde es schon seit fünfzig Jahren immer wieder vom Dachboden der Klinik geholt. Aller Glanz war dahin.
Auch Mrs Buttermark hat einen alten Baum, aber ihrer sieht nach was aus. Er wirkt fröhlich und rund. Als hätte da jemand die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der Weihnachtsmann eines Tages doch noch durch den Kamin kommt, obwohl man schon seit vielen Jahren keinen offenen Kamin mehr in der Wohnung hat.
Als Opa zurückkam, brachte er eine Zeitung mit. Er roch, als habe er geraucht. Irgendwie mochte ich das. Mrs Buttermark erklärte ihm, dass man uns nicht zu Ma gelassen habe, und sagte dann: » Ned, wo werden Sie denn übernachten?«
» Hab mich noch nicht darum gekümmert.«
» Liz hat in ihrem Arbeitszimmer ein Sofa stehen«, meinte Mrs Buttermark. » Ich denke, sie wäre froh, wenn Sie dort schlafen würden.«
Ich brauchte eine Weile, bis ich kapierte, dass ich heute Nacht nicht Gast auf Mrs Buttermarks Couch sein würde.
Jetzt kam der Chirurg den Flur entlang und redete ein paar Minuten lang darüber, auf welche Weise man sich das Bein bricht, wenn es sich beim Sturz in einer Leiter verfängt. Verdreht.
Diese Art von Beinbruch hat man auch, wenn man beim Sturz unter ein Auto rutscht. Verdrehte Brüche sind viel schlimmer als ein sogenannter sauberer Bruch. Deshalb konnte der Knochen nicht einfach gerichtet, sondern musste operiert werden. Ma würde viel trainieren müssen. Aber nächsten Winter würde sie gar nicht mehr merken, dass je etwas mit ihrem Bein gewesen war, so gut würde es ihr dann wieder gehen.
» Kann ich sie sehen?«, fragte ich, aber nur weil ich wusste, dass das jetzt angebracht war. Eigentlich war es kein schöner Gedanke, mit ihr zu reden und zu wissen, dass ihr Bein verdreht war.
» Sie wird schon für die OP vorbereitet«, sagte der Arzt, was wie ein Nein klang. » Sie wird völlig wiederhergestellt. Kein Grund zur Sorge.«
Ich fand es ganz schrecklich, dass ich froh war, Ma nicht noch einmal in diesem Tiefschlaf sehen zu müssen. Auch das war vermutlich wieder ein böser Gedanke, aber ich hoffte, sie erst wieder zu sehen, wenn sie aufgewacht war. Der Arzt ließ uns allein.
Mrs Buttermark löcherte Opa mit Fragen, zum Beispiel, wo genau in North Carolina er wohnte. Ich bekam mit, dass er allein lebte. Und pensioniert war, genau wie Mrs Buttermark. Zum Glück dachte Mrs Buttermark sich Gesprächsthemen aus.
Dann saßen wir eine Weile da und blätterten Zeitschriften durch. Es gab nicht viele, und keine einzige gute. Opa wandte sich dem Kreuzworträtsel in der Zeitung zu. Hin und wieder fragte er Mrs Buttermark nach einem Wort, aber sie hatte nie eine gute Antwort parat.
Ich auch nicht. Ich hätte ihm ja gern eine gegeben, aber ich kapierte nicht mal die Fragen. Allmählich kam es mir vor, als säßen wir schon den ganzen Nachmittag hier. » Wie lange ist es schon?«, fragte ich.
Opa sah auf die Uhr. » Achtundvierzig Minuten.«
Ich hätte fast aufgestöhnt. Der Arzt hatte gesagt, dass es die nächsten Neuigkeiten erst in ungefähr vier Stunden geben werde.
» Ich schau mal im Flur, ob ich eine Toilette finde«, sagte Mrs Buttermark.
***
Opa und ich saßen stumm da, bestimmt eine Minute lang, bis er schließlich sein Kreuzworträtsel beiseitelegte und sagte: » Und, wofür interessierst du dich so?«
» Ich glaube, ich bin ein Computerfreak.«
» Heutzutage ist jeder in deinem Alter ein Computerfreak.«
Ich zuckte die Achseln.
» Welchen Sport treibst du denn?«
» Ich bin nicht so gut in Sport. Deshalb hat Ma für uns einen Karatekurs belegt.«
Allmählich kam ich mir wie Mrs Buttermark vor, weil ich keine richtigen Antworten wusste. Mir war schon klar, dass Opa einfach ein Gespräch mit mir führen wollte, aber wir hätten doch auch übers Wetter oder sonst was reden können.
» Sport macht dir selber also keinen Spaß. Aber was schaust du dir gerne an?«
» Wie…?«
» Im Fernsehen. Du schaust dir doch Spiele an, oder?«
» Schach.«
» Oje.«
Schach zählte offensichtlich nicht. » Und Karateturniere.« Er beugte sich ein wenig vor und fragte: » Was ist mit Kickboxen?«
» Meister Kim findet, es entbehrt der Anmut.«
Er lehnte sich zurück. » Was du nicht sagst.«
Das Gespräch kam ins Stocken. Ich versuchte mich zu erinnern, was Ma mir über Opa erzählt hatte, was für
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