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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
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leichter für die Familien«, hatte Grisha ihr erklärt. »Sie
haben ein schreckliches Bild davon im Kopf, wie eine Leiche nach der Obduktion
aussieht. Wenn wir ihnen erklären können, dass es nicht so sein wird und dass
es sich eher um eine medizinische statt eine kriminaltechnische Sache handelt,
willigen sie leichter in die Obduktion ein.« Als sie jetzt Daniel betrachtete,
konnte sie dieses Argument gut nachvollziehen. Carol folgte dem Pathologen in
sein Büro. Es war kaum zu glauben, aber es schien hier für Grisha und seine
Besucher noch weniger Platz zu geben als bei ihrem letzten Besuch. Überall lag
Papier. Tabellen, Hefter, Zeitschriften und Stöße von Büchern füllten die
Regale, waren auf dem Boden gestapelt und lehnten unsicher am Monitor. Nachdem
Carol einen Stoß Computerausdrucke weggenommen hatte, um auf dem Besucherstuhl
Platz zu nehmen, konnte sie Grisha hinter dem Schreibtisch kaum noch sehen.
»Sie werden etwas unternehmen müssen«, stellte sie fest. »Haben Sie nicht
einen Doktoranden, der gerade nichts Besseres zu tun hat?«
    »Ich schwöre, ich glaube,
andere Leute haben angefangen, ihren Mist hier abzuladen. Entweder das, oder
die Fachartikel vermehren sich.« Er schob einen Haufen Ordner weg, damit er sie
besser sehen konnte. »Also, Ihr Junge, Daniel ...« Er schüttelte den Kopf. »Es
kommt einem immer ganz falsch vor, sich Organe anzuschauen, die noch so wenig
gebraucht wurden. Es ist schwer, nicht an all die schönen Dinge zu denken, die
er verpasst hat. Die Dinge, die wir genießen und die ihre bösen Folgewirkungen
hinterlassen und nur darauf warten, uns aus dem Hinterhalt zu überfallen.« Carol
fiel keine Antwort ein, die ihr nicht sentimental oder abgedroschen vorgekommen
wäre. »Was ist also das Ergebnis? Die Todesursache?«
    »Ersticken. Dicke Plastiktüte,
um den Kopf herum festgeklebt, verhinderte die Sauerstoffzufuhr. Aber kein
Anzeichen, dass er sich gewehrt hat. Weder Blut noch Haut unter den
Fingernägeln, nirgends Prellungen oder Verletzungen, außer einer Schramme auf
seinem Oberschenkel, die aussieht, als wäre sie drei oder vier Tage alt, und
die meines Erachtens völlig harmlos ist.«
    »Meinen Sie, er hat unter
Drogen gestanden?« Grishas Stirn über seiner Brille legte sich in Falten. »Sie
wissen, dass ich darauf noch keine Antwort habe. Wir werden zumindest nichts
wissen, bis wir die toxikologischen Tests zurückbekommen, und selbst dann
können wir nicht sicher sagen, ob er auf GHB war, weil der Anteil, den wir
sowieso schon im Blut haben, nach dem Todeseintritt ansteigt. Wenn ich
leichtsinnig genug wäre, in solch einem Fall Vermutungen anzustellen, würde ich
meinen, dass er durch Drogen außer Gefecht gesetzt wurde. Er hat nicht
getrunken, denn sein Mageninhalt roch nicht nach Alkohol. Sein letztes Essen
bestand übrigens aus Brot, Fisch, Salat und etwas, das wie Gummibärchen
aussieht. Wahrscheinlich ein Thunfischsandwich mit Salat, das er wohl länger
als eine Stunde vor seinem Tod gegessen hat.«
    »Und die Kastration?«
    »Nach dem Blutverlust zu
urteilen, würde ich sagen, nach dem Todeseintritt, aber nicht lange danach.
Wenn er noch gelebt hätte, wäre er verblutet.«
    »Amateur oder Fachmann?«
    »Es ist weder die Arbeit eines
Arztes noch die eines Metzgers, würde ich sagen. Ihr Mörder benutzte eine sehr
scharfe Klinge, ein Skalpell oder etwas Ähnliches mit einer kleinen Schneide.
Aber trotzdem konnte er die Organe nicht mit einem sauberen Schnitt abtrennen.
Er hackte nicht an ihnen herum, aber er musste schon drei oder vier Mal die
Klinge ansetzen. Ich würde also sagen, er hatte mit so etwas nicht viel Übung.«
    »Ersttäter?«
    Grisha zuckte mit den
Schultern. »Kann ich nicht sagen. Aber er war gründlich, hat das Gewebe nicht
einfach zerfetzt. Sind der Penis und die Hoden aufgetaucht? Waren sie am Fundort?«
    Carol schüttelte den Kopf.
»Nein.«
    »Trophäen. Das würde doch Ihr
Dr. Tony sagen, oder?« Carol lächelte müde. »Er ist nicht mein Dr. Tony, und
ich würde nie so verrückt sein vorauszusagen, was er denkt. Ich wünschte, er wäre
hier, um sich selbst einzuschalten, aber dazu wird es dieses Mal nicht kommen.«
Sie klang gereizt. Grisha reckte sich und hob ruckartig den Kopf, wie jemand, der einem Schlag ausweicht.
»Wow, Carol. Was hat er getan, um Sie aufzubringen?«
    »Er nicht. Unser neuer
Polizeipräsident, der meint, wenn ich Unterstützung von einem Profiler brauche,
sollte ich interne Hilfe in Anspruch nehmen.«
    Grishas

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