Medaillon des Schicksals (German Edition)
Algaris auf der Burg als die, die sie ihm hätten bieten können. Überdies fanden die beiden großen Gefallen an der kleinen Comtess und gelobten, sie aufzuziehen und zu lieben wie die eigene Tochter. Und sie hielten sich daran, zogen Rosaria groß und schenkten ihr unendlich viel Liebe.«
Ambra verstummte. Die anderen nickten.
»Ja, vom ersten bis zum letzten Tag liebten Paola und Estardo unsere Rosaria wie ein eigenes Kind«, sagten sie. »Wir alle lieben Rosaria.«
Ambra nickte und sagte: »Rosaria war glücklich hier – bis zu dem Tag, als sie zum ersten Mal auf die Burg ihrer wirklichen Eltern kam. Paola und Estardo suchten häufig den Besitz der di Algaris auf, um sich nach Euch, Giacomo, zu erkundigen. Sie haben Euch ebenfalls geliebt, wenn auch nur aus der Ferne.«
»War es ihre Liebe, die mich fröhlich und zukunftsfroh sein ließ, während auf der Burg Trübsal herrschte?«, fragte Giacomo und konnte die Tränen in seinen Augen nicht verbergen.
Ambra sprach weiter: »Paola und Estardo hatten jeder ein großes Herz. Wer von ihnen geliebt wurde, war für sein ganzes Leben lang vor Schwermut und Melancholie geschützt. Die heitere Gelassenheit, die Euch, Giacomo, auszeichnet, ist das Erbe Eurer Eltern.«
»Und ich bin ihnen von ganzem Herzen dankbar dafür«, flüsterte Giacomo, der auf das Innigste von Ambras Worten gerührt war. Dann sah er auf, sah die Gaukler und Händler, sah sie zum ersten Mal als seine Familie, die ihm noch sehr fremd war, ihn aber von der ersten Begegnung an angezogen hatte. Ja, er fühlte sich wohl bei ihnen. Er mochte sie und konnte sich ein Leben unter ihnen gut vorstellen. Wahrscheinlich würde ihm dieses Leben sogar sehr viel besser gefallen als sein bisheriges auf der Burg, das oft so schwierig und dunkel war.
»Und nun?«, fragte er hilflos. »Wie geht es jetzt weiter?«
Dann sprang er auf und sah sich erregt um.
»Ich muss fort, muss zurück zur Burg. Wenn Rosaria die Tochter der di Algaris ist, werden sie sie nicht auf dem Scheiterhaufen brennen lassen. Ich bin der Einzige, der das verhindern kann.«
Er sah sich um, blickte die am Feuer Sitzenden nacheinander an, dann faltete er die Hände und bat flehentlich: »Und ihr müsst Rosaria inzwischen suchen, müsst ihr die Wahrheit sagen, müsst ihr mitteilen, wer sie ist!«
Ambra lächelte. »Geduld, Giacomo. In den Karten habe ich heute Abend gelesen, dass Rosaria lebt. Ich sah keinen brennenden Scheiterhaufen. Ihr aber braucht Schlaf. Zwei Tagesritte entfernt liegt die Burg. Morgen früh könnt Ihr aufbrechen. Ihr werdet rechtzeitig da sein.«
Sie sprach so eindringlich, dass Giacomo sich beruhigte und ihren Worten Glauben schenkte.
Der Älteste meldete sich zu Wort.
»Willkommen, Giacomo, herzlich willkommen in deiner Familie«, sagte er, zog ihn mit großer Wärme in seine Arme, und die anderen klatschten dazu stürmischen Beifall.
Plötzlich hob die Frau des Ältesten den Finger.
»Ambra«, rief sie. »Rosarias Orakel hat gesagt, der Liebste müsse sein Leben für das ihre geben. Giacomo weiß nun, dass er kein Conte ist, sondern Sohn von Olivenhändlern, seine Familie die Kolonne. Und Rosarias Familie sind die di Algaris. So gibt doch Giacomo sein bisheriges Leben für Rosaria, wenn er zu uns kommt, oder?«
Ambra lachte und nickte. »Du hast Recht. Und ich glaube, das Orakel hat es genau so gemeint.«
»Ich komme gern, sehr gern zu euch«, sagte Giacomo. »Ich werde lernen, Oliven zu verkaufen und Tränke zu brauen. Ich werde mit euch durch die Toskana ziehen, und ich freue mich darauf. Denn wenn Rosaria auch nicht meine Schwester ist, so wird doch eine Comtess niemals einen Olivenhändler heiraten können. Aber sie wird leben, und das ist das Wichtigste!«
»Du aber hättest sie geheiratet, trotz des Standesunterschieds?«, fragte der Älteste.
»Nichts lieber als das«, erwiderte Giacomo ernst. »Ich habe der Ehe mit Isabella nur zugestimmt, weil ich Rosaria damals noch nicht kannte. Ich wollte die Zukunft meiner Mutter und meiner Schwester sichern.«
Er schwieg, und die anderen sahen, wie Traurigkeit sein Gesicht überzog und seine Augen verdunkelte.
»Was ist?«, fragte Ambra.
»Ich werde die Contessa Donatella di Algari und die Comtess Daria sehr vermissen«, sagte er leise. »Wenn sie auch nicht meine richtige Familie sind, so haben sie mir doch viel Liebe geschenkt. Und auch ich liebe sie.«
»Nun«, sagte die Wahrsagerin mit geheimnisvoller Stimme. »Wir werden sehen, was weiter geschieht.
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