Medaillon des Schicksals (German Edition)
Stimmen kriegslustiger Männer, die schon am frühen Morgen dem aus Traubenresten gebrannten Schnaps, dem Grappa, kräftig zugesprochen hatten.
»Höre, Daria, schon wieder ist dein Vater in eine Fehde verwickelt. Schon wieder rüstet er seine Männer, um Unglück über andere und Schande über uns zu bringen. Es gibt, glaube ich, keine Burg in der ganzen Toskana, der wir freundschaftlich verbunden wären. Hätten wir aber für jeden Feind ein Goldstück in der Lade, wären wir wohl reicher als die Medici und müssten nicht jeden Scudi zweimal herumdrehen.«
»Ja, unsere Geldsorgen lasten auch auf meinen Schultern. Gestern erst hörte ich, wie die Köchin fragte, was sie auf die Tafel bringen solle, wenn alle Vorratskammern leer seien. Die Händler machen bereits einen Riesenbogen um unsere Burg, denn sie wissen, dass wir für ihre Waren nicht zahlen können. Aber Giacomo wird es richten. Ihr werdet sehen, Mutter, er schafft es, die Burg zu erhalten.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, erwiderte Donatella mit Resignation in der Stimme. Trotzdem konnte sie es nicht verhindern, dass sich der Anflug eines Lächelns über ihre Züge breitete und das verhärmte und von tiefen Kummerfalten gezeichnete Gesicht glättete.
»Ja, Giacomo ist unsere einzige Hoffnung und einer der wenigen Sonnenstrahlen in unserem Leben.«
Giacomo, der einzige Sohn und Erbe der di Algaris, war vor wenigen Tagen 18 Jahre alt geworden. Seine immerwährende gute Laune, sein Charme und seine Güte hatten ihn zum Liebling aller auf der Burg gemacht. Obwohl er keine große Ähnlichkeit mit seiner Mutter hatte, schien er doch ihren Charakter geerbt zu haben und obendrein die Lebensfreude, an der es der Contessa seit ihrem Einzug auf die Burg der di Algaris vor 26 Jahren mangelte.
Auch jetzt hörte sie ihn mit großen Schritten die Treppe hinaufstürmen. Mit allen zehn Fingern trommelte er eine fröhliche Melodie gegen die Tür und stürmte, sobald er das ›Herein‹ seiner Mutter vernahm, in die Kammer.
Artig küsste er ihre Hand und küsste auch der Schwester ein ›guten Morgen‹ auf die Stirn.
»Ein Bote kam gerade«, berichtete er dann und hatte Mühe, seine Aufregung zu bezähmen. »Ein Bote, geschickt vom Florentiner Kaufmann Panzacchi. Er hat seinen Besuch bei uns angekündigt, noch heute Abend wird er eintreffen. Sagt, ist das nicht ein wunderbares Zeichen?«
Donatella sah ihren Sohn prüfend an. »Hast du also doch um die Hand der Kaufmannstocher Isabella angehalten?«
Giacomo nickte. »Was hätte ich sonst tun sollen? Isabella ist ein leichtfertiges, wenn auch wunderhübsches Geschöpf, das nur Eitelkeit und Koketterie, Putzsucht und Klatsch im Kopf hat. Aber ihre Mitgift wird die Burg retten, und das allein zählt.«
»Doch du liebst sie nicht«, stellte Donatella fest.
»Zum Lieben habe ich Euch«, sagte er mit einem charmanten Augenzwinkern und küsste seiner Mutter noch einmal die Hand. Dann wurde sein Gesicht ernst, das Lächeln verschwand, und die grünen Augen verdunkelten sich.
»Ihr habt Recht, ich liebe Isabella nicht. Doch sie ist noch jung, gerade siebzehn Jahre alt. Vielleicht kann ich ihr die Putzsucht und den Klatsch abgewöhnen. Vielleicht werden wir einander im Lauf der Zeit lieb gewinnen.«
Daria sah ihren Bruder voller Zuneigung an und sagte: »Die meisten Ehen in unserem Stand werden nicht aus Liebe geschlossen. Besitz heiratet Besitz, Land heiratet Land, Gut heiratet Gut, und Namen heiratet Namen.«
»Aber die Familie Panzacchi hat keinen Namen. Gewöhnliche Bürgersleute sind sie, Kaufleute, Händler«, warf Donatella ein.
»Eben!«, lachte Giacomo. »Deshalb wird Isabellas Vater auch seine Zustimmung zur Heirat geben. Isabella wird durch unsere Verbindung in den Adelsstand gehoben. Was kann ein Bürgersmädchen mehr verlangen? Besonders eines, dem Äußerlichkeiten über alles gehen.«
»Nana, langsam mit den jungen Pferden. Panzacchi hat sich angekündigt für den Abend, sagst du? Er wird seine Bedingungen stellen. Jeder in der Toskana weiß, dass der Pleitegeier sein Nest auf der Burg der di Algaris errichtet hat. Wir wollen sehen, was der Kaufmann will.«
Obwohl Contessa Donatella di Algari seit Jahren nicht mehr an Empfängen oder Festlichkeiten auf der Burg teilgenommen hatte, war sie es, die am Abend den Florentiner Kaufmann willkommen hieß. Der Conte selbst war nicht im Hause. Am frühen Mittag war er mit seinen Mannen weggeritten und hatte ihr nichts von seinem Ziel oder seinen Plänen
Weitere Kostenlose Bücher