Mehr als ein Sommer
aber jetzt hatte sie anderes im Kopf. Sie griff nach Hajis Arm. »Sie haben meine Behälter, eine Erdnussbut...«
»Lassen Sie uns gehen, Constance.« Trevor zog sie weg. »Unsere Maschine steht bereit. Lassen Sie uns gehen, bevor der seine Meinung ändert und uns ins Gefängnis steckt.«
Constance protestierte die ganze Zeit, während sie durch die Sicherheitskontrolle und durch die Transithalle gingen, wo sich eine Gruppe von Touristen mit Angestellten der Cairo Air zankte und sich auf einem Schreibtisch Reisepässe und Flugtickets häuften. Sie hörte, wie Trevor irgendetwas von Tourismus nach ägyptischer Art murmelte.
»Was haben Sie gesagt?« Constance hatte Mühe, sich aus seinem Griff zu befreien. »Und lassen Sie mich los. Ich kann hier nicht wegfliegen.«
Trevor nickte mit dem Kopf in Richtung Haji, der ihnen wie ein Schatten folgte. »Ich glaube nicht, dass wir eine andere Wahl haben.« Bestimmt führte er sie am Arm durch die doppelten Glastüren und über das Rollfeld zu ihrer Maschine. Haji folgte ihnen bis zum Fuß der Gangway und wartete, bis die Türen geschlossen waren und das Flugzeug anrollte, erst dann machte er sich auf den Rückweg zum Gebäude. Constance konnte ihn durch das Fenster sehen, konnte verfolgen, wie er in der Dunkelheit auf den Terminal zulief, eine einsame Gestalt, ihre letzte Verbindung zu Ägypten. Der Stein in ihrer Brust war so schwer, als habe der Tod ihr neuerlich einen geliebten Menschen genommen. Ein Gefühl, das mit keinem anderen zu vergleichen war.
Ihre Plätze waren in der Economy, und jeder Scotch kostete Trevor fünf Dollar, war das Geld aber wert; Constance hatte aufgehört zu weinen und presste die Stirn gegen das Fenster.
»Darf ich mir Ihre kleine weiche Bürste ausborgen?«, fragte er. »Meine Sachen sind voller Sand.«
Ohne ein Wort warf sie ihm die leere Tasche auf den Schoß, dann schmollte sie weiter. Er steckte die Bürste in die Sitztasche vor sich und schob die Segeltuchtasche mit dem Fuß unter den Sitz. Dann stand er auf, holte seinen Koffer aus dem Gepäckfach und platzierte ihn in dem engen Spalt zwischen seinem Magen und dem Vordersitz. Er zog den Reißverschluss auf. Leise summte er vor sich hin und bürstete dabei Sand und Staub von den beiden Plastikdosen, die in seinem Handgepäck gesteckt hatten, neben seiner Unterwäsche zum Wechseln. Constance starrte weiterhin aus dem Fenster, doch als Trevor begann, lauter vor sich hin zu summen, geschah, was er erwartet hatte: Ihr Atem wurde schneller, dann vernahm er einen quietschenden Laut, und im nächsten Moment schlang sie ihm die Arme um den Hals.
»Ein Dankeschön reicht völlig«, frotzelte er und war darauf vorbereitet, mit Lob überschüttet zu werden, aber stattdessen schlug sie ihm mit der Hand auf den Arm. »Autsch!« Er zuckte zusammen. »Wofür war das denn?«
»Das hätten Sie mir sofort sagen müssen, gleich bei den Pyramiden«, schimpfte sie, und ihre Lippen waren vor lauter Anspannung ganz dünn und weiß. »Ich habe mich fast zu Tode gesorgt, weil ich dachte, Donald und Martin verloren zu haben. Ich dachte, sie hätten sie gestohlen. Dass ich jetzt kehrtmachen und nach Hause fliegen müsste.«
»Passen Sie auf«, protestierte Trevor. »Ich wollte nicht, dass der alte Abdul und seine Kumpanen irgendetwas über die Asche erfahren. Wer weiß, sie hätten annehmen können, dass das Drogen sind, und Sie ins Gefängnis stecken können. Ich habe sie aus der Tasche herausgenommen und im Taxi gelassen.«
»Hmpf.« Sie ließ sich in ihren Sitz zurückfallen, die Arme vor der Brust verschränkt.
Trevor schnaubte vor sich hin. Sein Arm schmerzte. Sie hätte ihm zumindest danken können. Ihretwegen hatte er seine eigene Sicherheit aufs Spiel gesetzt, sie vor einer Zukunft bewahrt in einer verdreckten, von Ungeziefer verseuchten Zelle in irgendeinem gottverlassenen Gefängnis, mit ungewissem Schicksal. »Sie haben nicht das Recht, mich...«
Ein gedämpfter Laut vom Nebensitz machte seinen Einwänden ein Ende. Weitere Tränen. Die Passagiere, die auf der anderen Seite des Ganges saßen, starrten ihn an. Er schwieg; die arme Frau hatte genug durchgemacht, und er verstand ihre Seelenqualen. Ein weiterer Schluchzlaut presste sich durch ihre Lippen, dann ein dritter, und sie begann zu zittern, sacht und leise. Er fühlte sich hilfloser als in dem Augenblick, da ihr lebloser Körper vor ihm auf dem Fußboden des Wachhäuschens gelegen hatte. Er seufzte, nahm je einen Ehegatten in eine seiner
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