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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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verrosteten Vorhängeschloss gesichert war, doch überraschenderweise hielt es dem Rütteln stand. Hinter dem Haus watete er durch ein Meer aus kniehohem Gras und Löwenzahn zu einem verwitterten Klapptisch und setzte sich hin. Das Haus machte nicht viel her, es hatte nur eine Etage und war verfallen, aber der Ausblick war spektakulär, und die Rocky Mountains waren weit genug weg, um dem Himmel Raum zu lassen. Die Weite der Prärie im Osten und im Süden. So etwas sollte er sich kaufen. Damit aufhören, durch die Welt zu fliegen und sich als Farmer niederlassen. Ein gutes Leben. Gesund, wertvoll. Sein eigener Herr. Er hatte nicht viel Ahnung von Landwirtschaft, wusste nur, was Bjorne ihm im Verlauf von ein paar Monaten an den Wochenenden beigebracht hatte. Er nahm an, dass dieses Land hier für Viehzucht geeignet war, Weizen war eher etwas für flacheren Boden. Angela würde wissen, was zu tun war. Bjorne und Axel, die beiden Alleskönner, könnten ihm zur Hand gehen. Er legte sich rücklings auf den Tisch. Wolken kreisten am Himmel über ihm: Manche sahen aus wie Lämmer und Kaninchen, eine andere erinnerte ihn an einen Krieger hoch zu Ross. An trägen Sommertagen, wenn Tante Gladys nicht zu Hause gewesen war, hatte er die Wolken zusammen mit Brent auf dem Dach beobachtet. Sie hatten sich Geschichten über die Wolkenmenschen ausgedacht und darüber, wie sie eines Tages zur Erde herabschießen würden, um sie aus Regina zu erretten. Heute musste er aus Calgary gerettet werden, vor sich selbst. Er beobachtete eine Libelle, die im Flug ein Dreieck über ihm beschrieb, und mitten auf dem Klapptisch schlief er ein.
    Als er den Besitz eine Stunde später wieder verließ, schrieb er sich die Telefonnummer des Maklers auf. Er würde Angela herbringen, damit sie sich das Ganze ansah. Sie konnten es sich erlauben, mal ein Wochenende nicht nach Swede Lake zu fahren, ein bisschen Zeit allein würde ihnen guttun. Er stellte sich vor, wie sie gemeinsam das Haus renovierten. Wie sie anstri-chen und das Dach deckten. Er konnte sich eine Bodenfräse mieten und einen Garten für sie anlegen. Und sie würde grüne Bohnen für ihn einkochen.
    Es war dunkel, bis er wieder in die Stadt hineinfuhr, Calgary ein Lichtermeer. Er machte sich auf den Weg zu Angelas Apartment, einer Erdgeschosswohnung in einem Haus in Strathcona. Sie hätte sich ein eigenes Haus leisten können; Gott allein wusste, was sie mit all dem Geld machte, das sie verdiente. Spendete sie es wohltätigen Zwecken und Obdachlosen? Er verspürte plötzlich das dringende Bedürfnis, all jenen zu helfen, denen weniger Glück beschieden war als ihm. Ehrenamtlich bei einer Lebensmittelausgabe für sozial Schwache zu helfen. Schecks auszustellen für jene beharrlichen Organisationen, von denen er immerzu Post bekam, in der sie um Geld baten: die Krebshilfe, die Entwicklungshilfe. Er hielt kurz vor dem Geschäft an der Ecke, um Angela einen Blumenstrauß zu kaufen. Er hatte bisher noch nie für irgendjemanden Blumen gekauft; zehn Minuten lief er draußen vor dem Geschäft an den Bänken mit den mit Blüten gefüllten Eimern auf und ab. Rosen waren zu aufdringlich. Könnten eine abschreckende Wirkung auf sie haben. Chrysanthemen waren zu formell. Er entschied sich für ein dickes Gebinde aus Feuerlilien. Sie würden gut zu ihrem Haar passen.
    Als er Angelas Haus erreichte, musste er sich innerlich am Riemen reißen, um nicht quer durch den Garten auf die mit Efeu berankte Tür zuzurennen, mit den Blumen fest in einer Hand. Was würde sie denken, wenn sie die Feuerlilien sah? Die alte, verfallene Farm. Er verlangsamte seinen Schritt. Verflucht, er musste endlich mal ein Risiko eingehen, oder sein Leben würde sich niemals ändern. Sonst würde er als einsamer alter Mann sterben wie Constance’ Ehemann, wie hatte er noch mal geheißen? Tommy? Man muss was riskieren. Hatte Constance nicht genau das zu ihm gesagt, als er sie das letzte Mal sah? Er hatte seit einigen Wochen nichts mehr von der alten Frau gehört. Er pochte an die Tür, und es dauerte nur einen Moment, bis Angela öffnete, mit aschfahlem Gesicht, zerzaustem Haar, rot geränderten Augen.
    » Trevor, ich versuche seit Stunden, dich anzurufen«, schluchzte sie und war ganz wacklig auf den Beinen.
    Er streckte ihr die freie Hand entgegen. »Was ist passiert?«
    »Bo. Er hatte einen zweiten Herzinfarkt.« Sie sank in seine Arme.
    Trevor schnürte es die Kehle zu. Die Feuerlilien waren vergessen und fielen zu Boden. In

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