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Mehr als nur ein halbes Leben

Mehr als nur ein halbes Leben

Titel: Mehr als nur ein halbes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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beiden Lieblingspisten. Dort sehe ich die Skifahrer als verschwommene Kleckse in Rot, Blau und Schwarz, die in einem Meer von Weiß ins Tal segeln und sich dann wieder in die Schlange des Sessellifts vor meinem Fenster einreihen.
    Ich wünschte, ich wäre dort draußen. Ich sehe einen Mann und eine Frau – ich nehme an, ein Ehepaar – genau vor meinem Fenster nebeneinander zum Stehen kommen. Sie haben rosige Wangen und Nasen, sie lächeln sich an und unterhalten sich. Ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Aus irgendeinem Grund will ich, dass sie aufsehen und mich bemerken, aber das tun sie nicht. Stattdessen drehen sie sich wieder zum Berg um und reihen sich in die Schlange vor dem Lift ein, rutschen hin und wieder ein paar Meter vor, um noch einmal hochzufahren. Sie erinnern mich an Bob und mich. Alles um mich herum bombardiert meine Sinne, löst in mir einen fast überwältigenden Drang danach aus, meine glänzenden neuen Skier zu holen und auf diesen Berg zu fahren – die Geräusche der Hütte, der Geruch von Pommes frites, der strahlende Glanz des Außenlichts, der Gedanke an die kalte Bergluft in meinen Lungen, auf meinen Wangen und in meiner Nase, der Anblick des jungen Paars und seine gemeinsame Begeisterung nach einer tollen Abfahrt … Ich will dort draußen sein!
    Das wirst du . Aber ich habe nicht so viel Selbstvertrauen. Es fällt mir schon schwer genug, mit meinem Gehstock auf flachen, rutschfesten Böden zu laufen. Das WIRST du, beharrt das Vor-dem-Unfall-Ich. Sein Ton lässt keinen Raum für irgendeine andere Möglichkeit. Das Vor-dem-Unfall-Ich denkt so schwarz-weiß, und mir fällt auf, dass es – genau wie Charlie – mehr Selbstvertrauen hat, als gut für mich ist. Das wirst du . Diesmal ist es Bobs Stimme in meinem Kopf, überzeugt und aufmunternd. Widerstrebend glaube ich ihm.
    »Was war das denn?«, fragt meine Mutter.
    »Was?« Ich frage mich, ob ich irgendetwas von dem, was ich eben gedacht habe, vielleicht laut ausgesprochen habe.
    »Da draußen. Dieser Mensch, der da im Sitzen den Berg herunterkommt.«
    Ich suche die Kleckse auf dem Hügel ab, ohne zu sehen, wovon sie redet.
    »Wo denn?«
    »Da.« Sie zeigt in die Richtung. »Und hinter ihm steht ein Skifahrer.«
    Schließlich sehe ich, was sie meint. Jetzt, wo die beiden näher kommen, sieht es so aus, als ob die vordere Person auf einem Schlitten sitzt, der wiederum auf einem Ski befestigt ist, während die hintere Person Ski fährt und eine Art Griff hält, der an dem Schlitten befestigt ist – wahrscheinlich, um ihn zu lenken.
    »Wohl jemand, der behindert ist«, vermute ich.
    »Vielleicht könntest du das auch tun«, sagt sie. Ihre aufgeregte Stimme hüpft über den Tisch auf mich zu wie ein Tischtennisball.
    »Das will ich nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil ich nicht im Sitzen Ski fahren will.«
    »Na ja, vielleicht gibt es für dich eine Möglichkeit, es im Stehen zu tun.«
    »Ja, man nennt es Skifahren.«
    »Nein, ich meine eine besondere Art.«
    »Du meinst eine behinderte Art.«
    »Ich meine, vielleicht gibt es eine Möglichkeit für dich, jetzt Ski zu fahren.«
    »Ich will jetzt nicht Ski fahren, wenn ich es nicht auf die normale Art kann, und ich bin noch nicht so weit. Ich will keine behinderte Skifahrerin sein.«
    »Du bist die Einzige, die dieses Wort verwendet, Sarah.«
    »Egal. Wir haben keine ›Spezial‹-Ausrüstung, und ich werde nicht Tausende von Dollar in irgendeine Art Skischlitten investieren, den ich sowieso nicht benutzen will.«
    »Vielleicht haben sie ja welche hier. Entschuldigen Sie, Miss?«
    Meine Mutter winkt eine junge Frau heran, die in diesem Augenblick an unserem Tisch vorbeikommt. Sie trägt eine der rot-schwarzen Skijacken, an denen die Mount-Cortland-Mitarbeiter zu erkennen sind.
    »Sehen Sie diesen Skifahrer, der dort draußen im Sitzen den Berg herunterkommt? Hat er diese Ausrüstung hier gemietet?«
    »Ja, die ist vom NEHSA, dem Behindertensportverband Neuengland«, antwortet sie. Sie wirft einen Blick auf meinen Gehstock. »Der ist in dem Gebäude nebenan. Ich kann Sie gern hinbringen, wenn Sie wollen.«
    »Nein, danke«, erwidere ich, noch bevor meine Mutter anfangen kann, unsere Sachen zusammenzupacken. »Wir wollten uns nur erkundigen, danke.«
    »Kann ich Ihnen ein paar Informationen darüber bringen?«
    »Nein, schon gut, danke«, sage ich.
    »Okay, na ja, der NEHSA ist jedenfalls gleich nebenan, falls Sie es sich anders überlegen«, wiederholt sie und geht weiter.
    »Ich

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