Mein bis in den Tod
Verzweifelt auf der Suche nach einem Fick?«
»Ich bin zu ihm gegangen, weil er Arzt ist.«
»Er ist kein Arzt, sondern ein Quacksalber. Ein New-Age-Idiot.«
»Er ist Doktor der Medizin.«
»Er ist ein beschissener Schlangenöl-Verkäufer.«
»Er ist Doktor der Medizin, der zufällig den Blick über den Tellerrand richtet, im Unterschied zu vielen anderen Ärzten. Okay? Ich bin mit dir verheiratet, aber ich bin nicht dein persönlicher Besitz, und wenn ich einen Arzt meiner Wahl konsultieren möchte, werde ich das tun, und wenn dir das nicht passt, dann lass dich doch scheiden.«
Er zögerte einen Sekundenbruchteil und sagte mit brechender Stimme, die nicht mehr zornig, sondern eher verletzt klang: »Warum hast du das alles nicht mit mir besprochen?«
»Weil du deine Zustimmung verweigert hättest.«
Er starrte Faith durch einen Schleier von Tränen an. »Du Oberschlampe, du machst mich verrückt. Du hast dafür gesorgt, dass ich unseren Sohn geschlagen habe, den ich mehr als alles andere auf der Welt liebe, und nun wagst du es, Widerworte zu geben. Du hast mich verrückt gemacht, Miststück. Du hast mich so verrückt gemacht, dass ich die Geduld verloren habe. Siehst du, was du mir antust? Siehst du es?
Siehst du es?«
Er wollte sie schlagen, wollte ihr verdammt hart mitten ins selbstgefällige Gesicht schlagen, diesen Lippen einen Fausthieb verpassen, diese Zähne einschlagen, sehen, wie sich Dr. Oliver Cabot fühlen würde, wenn sie mit aufgeplatzter Lippe und wackelnden Zähnen seinen 20-Zentimeter-Schwanz in den Mund nahm.
Diese Widerworte passten überhaupt nicht zu ihr. Steckte Dr. Oliver Cabot dahinter? Wiegelte dieser Mann sie gegen ihn auf? Faith hatte ihm bislang noch nie widersprochen. Und sie würde auch keine Widerworte mehr haben, wenn sie wüsste, was mit ihr nicht stimmte.
Tommy Pearman hatte jede Menge Informationen über die Lendtsche Krankheit gesammelt und ihn informiert. Zwanzig Prozent der Personen, die an der Krankheit litten, waren ein Jahr nach der Diagnose noch am Leben. Achtzig von hundert starben, zwanzig überlebten. Diese achtzig würden ohnehin sterben. Negative Menschen. Man starb nur, wenn man sterben wollte, man starb, wenn einem gesagt wurde, dass man sterben würde. Faith würde nicht sterben, weil niemand es ihr sagen würde. Sie würde es nicht erfahren, und deshalb würde sie wieder gesund werden.
Er trat einen Schritt auf sie zu und änderte seinen Tonfall. »Ich liebe dich, Faith. Ich liebe dich mehr als alles in der Welt. Das weißt du doch, oder?« Er schloss sie in die Arme, und es kränkte ihn zu sehen, dass sie zurückzuckte. »Herrgott, begreifst du denn nicht, wie sehr ich dich liebe? Ich möchte dich lieben, nicht dir schaden. Ich will, dass du wieder gesund wirst, und es wird mir gelingen. Begreifst du denn nicht, dass ich genau das will?«
»Was begreifen?«
Kalt wie Eis.
Er versuchte, sie näher an sich zu ziehen, fest an sich zu drücken, aber sie entzog sich ihm, blieb auf Distanz, als gäbe es einen Holzklotz, der zwischen ihnen eingerammt war.
»Glaubst du denn, ich hätte dich zu Jules Ritterman geschickt, wenn ich ihn nicht für den besten Arzt Englands hielte?«
»Er ist mir unsympathisch, und ich habe nicht vor, ihn noch einmal aufzusuchen.«
Wie sie ihn anstarrte, dieser trotzige Gesichtsausdruck, als glaubte sie, eine Art Triumph über ihn errungen zu haben. Ein Triumph wie die Entdeckung der ersten Krebszellen in einer Biopsie. Sie mussten sofort herausgeschnitten werden.
Er schlug ihr so fest auf die Wange, dass sie zur Seite taumelte, mit den Händen ruderte und sich den Kopf an der Ecke eines Bücherschranks aufschlug. Dann fiel sie lang auf den Teppich und blieb liegen.
Regungslos. Während ihr Blut von den Lippen tropfte, starrte sie ihn mit glasigen Augen an.
Es schien, als wäre irgendein Ventil in ihm geöffnet worden, aus dem sein Blut sickerte.
»O verflucht«, er kniete sich hin, »Faith. O verdammt noch mal. O verdammt.«
[home]
31
D er Geruch jener ersten Zigarette am Abend hatte Ross immer auf die Folter gespannt. Sein Vater saß im Sessel, mit auf Hochglanz geputzten Schuhen, in Jackett und mit sorgfältig geknoteter Krawatte, die
Sporting Life
aufgeschlagen auf den Schenkeln, die Zigarette zwischen den großen Fingern und tief inhalierend. Die Zigarettenspitze glühte, fraß wie eine feurige Raupe einen Zentimeter Papier und Tabak und ließ ein Stückchen Asche zurück.
Ein Wolke blauen Dunstes wehte um ihn
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