Mein irischer Held
folgte ihr nicht.
Er musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht zu ihr zu eilen. Er hatte genau gesehen, wie sein Bruder Genevieve geküsste hatte und wie sie daraufhin geflohen war. Er war wütend über Connors Verhalten. Aber ihm war bewusst, dass dieser ihn damit auf die Probe stellen wollte.
Also blieb er in seinem Versteck. Von dort aus konnte er den Saal, aber auch die unteren Stufen der Treppe im Auge behalten, ohne von den Feiernden bemerkt zu werden. Jetzt beobachtete er, wie Genevieve sich auf eine der Stufen sinken ließ und den Kopf gegen die Wand lehnte. Die Arme hatte sie vor der Brust gekreuzt. Sie wirkte unglücklich, weinte aber nicht.
Bevan machte sich Vorwürfe, weil er Connor keine genaueren Anweisungen gegeben hatte. Nun, er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass sein Bruder versuchen würde, Genevieve zu küssen. Natürlich war sie in Panik geraten. Nach allem, was sie mit Marstowe erlebt hatte, musste ihr ein derart typisch männliches Verhalten Angst machen.
Allerdings hat sie sich nicht gefürchtet, als ich sie geküsst habe, dachte Bevan. Ihm war noch deutlich in Erinnerung, welch wunderbares Gefühl es gewesen war, sie in den Armen zu halten. Ihm war, als könne er noch immer den Duft ihres Haars riechen. Dann wurde ihm deutlich, dass er nicht eine Sekunde lang an Fiona gedacht hatte, während er zärtlich zu der Normannin war. Konnte das nun als ein gutes oder schlechtes Zeichen gelten?
Genevieve hatte gesagt, dass sie keinerlei Ansprüche an ihn stellen würde, wenn er sie heiratete. Vermutlich betrachtete sie die Ehe als ein Opfer, das es zu bringen galt, wenn weiteres Blutvergießen wegen Rionallís verhindert werden sollte.
Unwillkürlich seufzte er auf. Er war sich ziemlich sicher, dass sie zu ihrem Wort stehen würde. Wenn sie versprach, sich auch als seine Gemahlin nicht in sein Leben einzumischen, dann konnte er darauf vertrauen, dass sie ihm alle Freiheiten lassen würde. Aber es widersprach seiner Ehre, ein solches Angebot anzunehmen. Genevieve sollte entweder in ein Kloster gehen, um für immer vor den Nachstellungen der Männer in Sicherheit zu sein. Oder sie sollte die Chance bekommen, eine Ehe in gegenseitiger Zuneigung zu führen und Kinder zu gebären. Es war ihm nicht entgangen, wie liebevoll sie den kleinen Declan behandelt hatte. Er hatte die Sehnsucht in ihren Augen bemerkt, wenn sie das Kind anschaute. Ja, zweifellos wünschte sie sich, einmal Mutter zu werden.
Er trat aus seinem Versteck und machte ein paar Schritte in Richtung Treppe. Dann zögerte er. Ihm war bewusst, dass er im Begriff war, eine weit reichende Entscheidung zu treffen. Eine gefährliche Entscheidung … Warum, um alles in der Welt, war Genevieve ihm in dieser kurzen Zeit so wichtig geworden? Warum berührte es ihn so, sie unglücklich zu sehen? Warum sehnte er sich danach, ihre weiche Haut zu fühlen, ihre Lippen zu schmecken und dieses Leuchten in ihren Augen zu sehen? Und warum war er plötzlich so nervös?
Er holte ein paarmal tief Luft und machte sich über sich selbst lustig. Er benahm sich wie ein Knabe, dem jegliche Erfahrung im Umgang mit Frauen fehlte. Dabei war er nicht einmal in Genevieve verliebt. Er begehrte sie, ja. Aber jetzt ging es schließlich nur darum, noch einmal mit ihr zu reden. Nur, wie sollte er anfangen?
Sie hob den Kopf und entdeckte ihn. Doch das erhoffte Leuchten erschien nicht in ihren Augen. Ihr Blick blieb leer.
Bevan setzte sich neben sie auf die Treppenstufe. „Patrick möchte, dass ich morgen nach Tara aufbreche“, sagte er. „Ihr wisst ja, dass unser Hochkönig uns zu sich befohlen hat. Doch mein Bruder meint, er sei hier unabkömmlich. Zweifellos wird es bei den Gesprächen auch um Rionallís gehen.“
Sie schwieg. Und Bevan kam sich plötzlich sehr ungeschickt vor. Er hatte ihr nichts Neues gesagt. Über das geplante Treffen mit dem englischen König Henry und dem irischen Hochkönig Ruaidhrí war sie längst informiert. „Ich werde mehrere Tage lang fort sein“, schloss er ohne jegliche Emotionen.
„Es wäre sicher angebracht, Euch viel Erfolg zu wünschen“, stellte Genevieve leise fest, „aber ich fürchte, mir fehlt die Kraft dazu.“
Er hob die Brauen.
„Während der letzten Tage habe ich viel über Rionallís, aber auch über meine eigene Zukunft nachgedacht.“ Sie runzelte die Stirn und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Schließlich fuhr sie zögernd fort: „Nachdem ich Verschiedenes gegeneinander
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