Mein Name ist Eugen
Schaufenster von innen her dabeisein konnte.
Der Wrigley war ganz verliebt in diese Methode. Er sagte, das sei praktische Erziehung. Es lasse sich nämlich nachweisen, dass die Räppler unser Eigentum seien, und niemand anders habe sich ohne unsere Einwilligung an ihnen zu vergreifen. Wenn das einer trotzdem tue, so habe er den Schaden selbst zu tragen. Während solcher Reden wurden drunten wieder Schritte hörbar. Der nächste Rappen war bereits in Hochform, so heiss, wie ein Lötkolben. Im rechten Moment erfolgte der Wurf, und wir sahen hinaus.
Und wie wir die Nase über den Sims hinausstreckten: Wer geht da unten? Wer macht einen Hechtsprung nach dem Geldstück? Wer lässt einen Schrei fahren? — O Schicksalsschlag: Unser Deutschlehrer!
Trotzdem der Wrigley hernach fand, wir hätten genau den Rechten erwischt, Hessen wir das Rappenwärmen für heute bleiben, schlossen kniend, so dass man uns von unten nicht sah, das Fenster und schufteten auf Tod und Leben Französischwörtchen, so dass wir am Ende selber fanden, Fleiss sei eine Tugend.
So sehr hatten wir uns in unsere Arbeit vertieft, dass wir am nächsten Tag in der Schule keine Gedanken an gehabte Freuden mehr in uns trugen. Wir waren deshalb nicht wenig erstaunt, als unser Deutschlehrer zu seiner Stunde das Zimmer mit einem verbundenen Daumen betrat.
Der Wrigley verschwand hinter einem Buch, und ich hinter dem Pultdeckel. Aber schon stand Herr Klameth neben uns. Er nahm den Zwicker von der Nase und wischte sich mit dem Finger ein wenig den Fleck, an dem es geklemmt hatte. Das war eines der ganz schlechten Zeichen. Dann sagte er sanft wie ein Frühlingslüftchen:
«Stalder Franz, wo wohnt dein Herr Papa, und, Pfister Eugen, wo der deinige, wenn mir die Herren zu fragen gestatten?»
Bei eh, an der eh, Herrengasse.» —
So soo, ei ei ei!»
Er ging sehr langsam nach vorne, kam aber sogleich wieder zu uns zurück, als habe er einen Entschluss gefasst.
«Erlauben die Herren, wenn ich sie noch weiter störe.
— Was hatten wohl die Nasen vom Stalder Franz und vom Pfister Eugen, die man von unten nach oben sah, gestern nachmittag, viertel vor fünf im zweiten Stock des Hauses Nummer neun zu tun?»
«Eh, nichts besonderes--»
«So, so, nichts Besonderes? Aber werden mir die Herren wohl böse, wenn ich sie jetzt nicht züchtige, sondern zuhanden des nächsten Zeugnisses von ihren Untaten Notiz nehme?»
Und er wiederholte diese Frage so sanft und beharrlich, bis wir ihm in einem ganzen Satz bestätigten, wir hätten nichts dagegen, und wir wollten uns zu bessern versuchen.
Das versuchten wir. Kein Streich geschah mehr, und keine freie Minute gönnten wir uns. Wir arbeiteten, was das Zeug hielt, und zum ungetrübten Ärger fast aller Lehrer waren sie gezwungen, uns nach jeder Probe eine Fünf oder Sechs zu notieren. Das verdross sie sichtlich, und sie behaupteten das Gegenteil ihrer früheren Ansicht: Gute Proben machen noch keinen guten Schüler aus. Das war das einzige Mal, wo wir mit ihnen einer Meinung waren.
Aber dann kam der Frühling doch.
Wenn die Tage länger werden und die Abende lau, dann bricht das Marmelfieber aus. Überall werden kleine Löcher gegraben. Oben an der Herrengasse, zwischen den Pflastersteinen hat es ein ideales Loch. Nun kann doch niemand von uns im Ernst verlangen, dass wir nur der Schule wegen achtlos an diesem Loch und an den darum herum versammelten Herrengässler-Buben vorbeigehen! Wir, die wir dem Dolf Zeder vom letzten Jahre her noch eine derartige Abrechnung schuldig sind!
Dieser Zeder hatte uns vor einem Jahr um einen guten Teil unserer Marmeln gebracht. Nicht mit rechtschaffenem Spiel, denn spielen tat er überhaupt nie, sondern er lungerte immer mit den Händen im Sack um die Spieler herum, als schaue er zu. In Wahrheit aber hatte er ein Loch in der Schuhsohle, und wenn niemand sich achtete, trat er mit diesem Loch auf eine Marmel und arbeitete sie mit seinen Zehen ins Innere des Schuhs.
Hatte er eine — ohne sich zu bücken — sichergestellt, so bummelte er blasiert in einen Hausgang und nahm dort den Raub heraus, bis wir ihn erwischten, nachdem uns lange Tage verdächtig viele Marmeln verschwunden waren. Aber weil wir ihm die Masse des Raubes nicht nachweisen konnten, blieb uns nichts anderes übrig, als ihn durch den Eduard verhauen zu lassen, und weil die Saison zu Ende war, für nächstes Jahr Rache zu schwören.
Dieser Zeitpunkt war gekommen, und wir hielten Wort.
Lieber Leser, kennst du dich in diesem
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