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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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schont.
    Auch der Wrigley war im Gohl. Seit seinem Erlebnis mit dem Balabbio. Das ist schon Jahre her, aber noch immer schön.
    Damals war nämlich Balabbio eidgenössischer Torhüter und zusammen mit dem Amado hochberühmt. Fast gar wäre er einer der besten Freunde Wrigleys geworden.
    Das kam so:
    In Bern war damals Schweiz gegen Italien, und die ganze Klasse fussballverrückt. Der Eglikurt besass auf einem Zeitungspapier die Unterschrift vom Amado und schnitt damit so heftig auf, dass der Wrigley ihn zu überbieten trachtete. Solche Unterschriften waren hoch im Kurs: Man bot dem Eglikurt Schlüssel, Bleistifte und der Wrigley sogar eine weisse Maus, aber vergeblich.
    Apropos weisse Mäuse:
    Der Wrigley hatte ein Vierteljahr zuvor mit dem Gasser Walter ein Paar gegen ein Katzenfell eingetauscht, und dann machten wir eine Mäusezucht im Keller der Tante Melanie, denn in dem unseren ist alles voll von Kartoffeln und Flaschen, während in Melanies Platz die Fülle ist.
    Der Wrigley tat sie in eine grosse Kiste und fütterte sie jeden Abend. Als es schon ein Dutzend waren — das geht bei weissen Mäusen rapid — verleidete uns die Zucht, und wir stellten, um weniger Mühe zu haben, einen grossen Kessel Wasser und ein halbes Pack Ken-tauer Haferflocken in die Kiste, — und dann vergassen wir die Angelegenheit.
    Nach sechs oder acht Wochen sagte der Wrigley einmal mitten in der Nacht (es war damals, als ich bei ihm unten schlief), es grarnsele ihn etwas am Bein. Als ich das Licht andrehte, war es eine weisse Maus. Wir fragten uns, woher die wohl komme; das sei doch sehr merkwürdig, versorgten sie aber in die Nachttischschublade und schliefen weiter.
    Als wir am nächsten Morgen in den Keller kamen, und als wir das Abteil der Melanie öffneten, war es grauenhaft: Alles voll von weissen Mäusen. Hunderte und Hunderte. Aber nicht mehr lange, denn sie pirschten sich, bevor wir es hindern konnten, zur Tür hinaus und verteilten sich im ganzen Wohnblock.
    So etwas hat man nördlich des Äquators wohl noch nie gesehen, was man in den nächsten Tagen in unserem Hause sah: Alles voll weisse Mäuse, aber auch alles! In der Milch, im Lavabo, in der Stube, in Vaters Manteltasche, im Bett der Tante Melanie, in ihrem Muff natürlich, im Briefkasten--: Überall weisse Mäuse,
    und es gab erstens für uns Knaben von seiten der Erwachsenen eine grausame Vergeltungsaktion und zweitens eine harte Wiederaufbauarbeit, denn Mäuse im Haus sind hartnäckiger als Läuse im Haar. Ich weiss seither, was ein Mausoleum ist.
    Item, so eine weisse Maus samt Jungen bot der Wrigley dem Eglikurt für seine Unterschrift vom Amado. Aber er wurde hochmütig abgewiesen, und das brachte den Wrigley auf eine einfache Idee:
    Am Sonntag warteten wir vor dem Portal des Ländermatchs, denn um selber hineinzugehen reichte unser Geld nicht aus. Wir wollten warten, bis nach dem Spiel die Fussballchampignons das Stadion verliessen, um ihnen eine Unterschrift abzubetteln. Der Wrigley hatte es auf den Balabbio abgesehen: Der werde den Eglikurt in den Schatten stellen, und zu diesem Zweck hielt er eine Photographie aus dem «Tipp» in der Hand, um vergleichen zu können.
    Wir hörten eine Stunde lang drinnen das Gebrüll, und man merkte auch von aussen das himmelschreiende Unrecht des Schiedsrichters. Dann kamen die Massen heraus, und endlich wurde es still.
    Jetzt hatten sie sich wohl gewaschen und die Wunden verbunden: Nun war es Zeit für die Spieler. Wir waren sehr gespannt.
    Und dann kam der grosse Moment:
    Aus dem Portal trat ein Riese mit Obeinen und furchtbar schwarzen Augenbrauen. Wir warfen einen letzten Blick auf die Photographie, und mit Herzklopfen wussten wir, dass es Balabbio sei.
    Der Wrigley stach auf ihn zu und fragte ihn ganz schüchtern, ob eh, ob er vielleicht so gut sein wolle, ihm ein Autogramm auszufertigen.
    Der Balabbio war sehr freundlich und gebauchpinselt, und was uns besonders auf fiel: Sehr, sehr bescheiden. Er wollte wissen, woher wir ihn kennen, und warum wir seine Unterschrift begehren: Er sei doch nicht so berühmt.
    Und dann schrieb er seinen Namen auf den Zettel, faltete ihn zusammen und legte ihn in Wrigleys Hand, der damit umging, wie mit einem Baslertäubchen.
    Wir durften ihn bis zum Tram begleiten und beim Abschied gab uns der Balabbio die Hand, dieselbe Hand, welche heute mindestens zehn Tore verhindert hatte. Wir winkten ihm nach, wie einem alten Freund, und der Wrigley murmelte mit Tränen in den Augen: «So, Herr

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