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Mein Schwein pfeift

Mein Schwein pfeift

Titel: Mein Schwein pfeift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Türrahmen stehen. Eine mindestens zwei Quadratmeter große Leinwand verdeckte meinen Kamin. Auf dem Wohnzimmertisch thronte ein LCD-Datenprojektor, der einige Flöhe gekostet haben durfte. An diesen war ein 7.1-Dolby-Sur-round-System angeschlossen. Alles in Silber gehalten und funkelnagelneu.
    Was mich aber wirklich umhaute: Wie hatte Grabowski, der nicht mal eine CD richtig herum einlegen konnte, dieses komplexe System aufbauen können, und das auch noch in so kurzer Zeit?
    Anscheinend konnte Otto Gedanken lesen. »Den Aufbau hat er gestern unter meiner Anleitung bis zum Erbrechen geübt. Ein guter Ermittler muss auf Abruf seine Ergebnisse darstellen können. Sein bester Versuch hat sieben Minuten dreiundzwanzig gedauert.« — »Diesmal war er langsamer«, fügte er missbilligend hinzu.
    »Steck dir deine Zeit sonst wohin. Ich bin doch nicht dein Sklave, du alter Sack«, fluchte Gurkennase leise vor sich hin.
    »Was hast du gesagt?«, fragte Otto scharf.
    »Nichts. Ich hol mir ’ne Cola.«
    Während Peter Richtung Küche abschob, bat ich ihn hinterherrufend, mir auch eine mitzubringen.
    »Gut«, nahm Otto schmunzelnd neben dem Projektor Platz. »Unsere Zusammenarbeit tut Peter gut. So hilfsbereit, höflich und zuvorkommend habe ich ihn noch nie erlebt. Obwohl ich ihm einen ganzen Packen Arbeit aufgehalst habe, hat er alles ohne Murren erledigt. Dieter, aus dem mach ich noch ein für die Gesellschaft nützliches Subjekt. Habe auch mal vorsichtig das Thema Schulabschluss und Studium abgeklopft. Er schien ganz angetan zu sein. Insbesondere Wirtschaftswissenschaften scheinen ihn zu interessieren.«
    Aber nur, weil Gurkennase sich darunter etwas deutlich anderes vorstellte als Cash-Flow-Analyse und Bilanzpolitik. Seit der Geburt war Peter ein Prolet gewesen, hatte sich zum Status eines Asozialen hochgearbeitet und würde als Penner enden. Da gab es kein Vertun. Ich hatte jegliche Sozialisierungsversuche mit dreizehn aufgegeben. Entweder nahm man ihn, wie er war, oder man erlebte eine Enttäuschung nach der anderen.
    In grauer Vorzeit hatten wir gemeinsam die Schulbank im Gymnasium gedrückt, denn dumm war er nicht. Leider hatte er in seinem Elternhaus — Grabowski senior war hauptberuflich Trinkervorbild — nur eine rudimentäre Erziehung genossen. Vergeblich versuchte Frau Siebenbürgen, unsere Klassenlehrerin, ihm das Rauchen in der Pause und die Lektüre von Pornoheften während des Unterrichts abzugewöhnen. Nach drei Wochen ohne jedweden Fortschritt wurde Peters alter Herr in die Schule zitiert. Der hatte sowieso schon schlechte Laune, weil er sonst immer bis mittags schlief. Als ihn die Lehrerin höflich auf seine Alkoholfahne ansprach, war der Ofen aus. Er verpasste ihr links und rechts eine saftige Ohrfeige, erhielt dafür eine Bewährungsstrafe, und Peter wurde in die Sonderschule gesteckt.
    Unserer Freundschaft tat das keinen Abbruch, denn schließlich hatte ich durch ihn Kontakt zu allerlei abenteuerlichen Gestalten, die einen krassen Gegensatz zu meinem gutbürgerlichen Elternhaus bildeten.
    Da war zum Beispiel die Schakurski-Familie, die nicht ohne Grund Chaku-Gang genannt wurde. Das Oberhaupt der Sippe, Hermann Schakurski, besaß durch seinen Schrottplatz den idealen Umschlagplatz für gestohlene Autos, die in den Ostblock verschoben werden mussten. Die Mutter arbeitete als Putzfrau in einem Bottroper Puff, wobei keiner so richtig glauben konnte, dass dort täglich sechs Stunden geputzt werden musste, und das von zehn bis vier Uhr nachts. Die beiden Sprösslinge Mario und Theo besaßen wohl die größte Waffensammlung oberhalb des Äquators, und die Chakus waren weiß Gott nicht die gefährlichsten.
    Kurzum: Langeweile war damals für uns ein Fremdwort gewesen.
    Auch später hatten wir uns nie aus den Augen verloren; mochten unsere Lebenswege auch noch so unterschiedlich verlaufen: Ich stand dabei meist auf der Sonnenseite des Lebens, Grabowski im Schatten des Schattens, doch irgendwie hingen wir aneinander.
    Nachdem ich den Raum abgedunkelt hatte, setzte ich mich aufs Sofa. Grabowski brachte die Getränke, fläzte sich neben mich und stöhnte, als hätte er drei Wochen im Steinbruch geackert. Dann ging’s los.
    Ein rotes Diagramm füllte die Leinwand aus, zugleich ertönte der Refrain von Richard Strauss’ Also sprach Zarathustra, zu dem schon in Stanley Kubricks »2001 — Odyssee im Weltraum« effektvoll die Sonne aufging. Hier wirkten die Pauken dezent übertrieben.
    »Rechercheresultate Fall

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