Mein Schwein pfeift
neugierig.
»Klar. Hasso, Berta, Anna, Trude, Arnold, Rambo, Steven und Andrea. Sie lieben es, wenn du sie persönlich ansprichst.« Ich war überrascht, dass mir so schnell acht Vornamen einfielen.
»Gut zu wissen. Bis nachher, Chef.«
Ich hob huldvoll die Hand. Jetzt hatte ich mein tägliches Maß an Praktikantenbetreuung erfüllt. Zeit für einen Kaffee. Dabei studierte ich Ottos Aufzeichnungen über die Spieler samt Anhang. Hirschmann, der mich am meisten interessierte, arbeitete als Knecht bei Bauer Allekotte.
Ich trank aus und trat ins Freie; ein Duft von Getreide und süßem Holunder lag in der Luft. Beschwingt bestieg ich meine Karre und düste wie immer durch Felder, Felder und noch mehr Felder. Bauer Friedel Allekotte war berühmt für seine Fleischprodukte. Jede Familie, die was auf sich hielt, servierte ihren Gästen Friedels Blutwurst oder »Allischnitzel«. Auf letzteren Begriff hatte der geschäftstüchtige Landwirt sogar ein Warenzeichen angemeldet.
Ich betrat den Laden. Wer nicht aufs Geld schaute und keinen Wert auf Auswahl legte, war hier genau richtig. Frau Allekotte, die gemütliche Hofdame, stand persönlich hinter der Fleischtheke.
»Guten Tag, Herr Nannen. Drei Allis wie immer?«, war sie sichtlich erfreut, mich zu sehen.
»Aber sicher. Allerdings bin ich primär beruflich hier«, stellte ich sofort klar, dass mich diesmal nicht die Fleischeslust getrieben hatte.
»War ich unartig? Wenn dem so ist, müssen Sie mich verhaften«, kicherte sie.
»Ich weiß doch, dass Sie die personifizierte Liebenswürdigkeit sind«, schmeichelte ich. »Nein, ich bin wegen Robert Hirschmann hier. Keine Angst, er ist nur ein Zeuge«, beugte ich einem Schlaganfall vor.
»Robert arbeitet noch nicht lange hier. Und er wird auch nicht alt werden in unserem Betrieb.«
»Warum? Hat er die Knochen aus den Koteletts gestohlen?«, wurde ich etwas albern.
»Nein«, hielt Frau Allekotte sich den Bauch vor Lachen. »Er kommt und geht, wie es ihm passt. Wenn er sich nicht unverzüglich bessert, schmeißt mein Mann ihn raus, obwohl er nur ungern Mitarbeiter entlässt. Die meisten arbeiten schon jahrelang für uns, müssen Sie wissen.«
»Wo steckt er denn?«
Die Bäuerin packte die Schnitzel in eine Tüte und nahm meinen Zehner entgegen.
»Wenn er sich nicht wieder verdrückt hat, müsste er den Schweinestall ausmisten«, legte sie einen Euro Wechselgeld auf die Theke. Ich ließ ihn liegen und sie stehen mit dem Versprechen, bald wieder vorbeizuschauen.
Mit Hilfe meines Riechkolbens hatte ich den Stall schnell gefunden. Hunderte von Ferkeln fitschten durch die Boxen, während sich die ältere Generation wohlig im Dreck suhlte. Das Gequieke und Gegrunze erinnerte mich an Pedder. Ob es ihm gutging? Ob er auch manchmal an mich dachte, wenn sein Schnäuzchen Kohlrabi und Wirsing durchwühlte? Wahrscheinlich nicht, lautete die deprimierende Antwort.
Robert stand mit dem Rücken zu mir und beförderte Mist auf eine Schubkarre.
»Hirschmann, wie geht’s?« Sofort fuhr er wie von der Tarantel gestochen herum. Als er mich sah, richtete er die Mistgabel auf mich und rannte wütend los. Gerade noch rechtzeitig warf ich mich zur Seite. Da die Mistgabel seine Beweglichkeit erheblich einschränkte, konnte ich ihm problemlos die Beine wegtreten, meine Knie ins Kreuz drücken und seine Arme auf den Rücken drehen.
»Lass mich los, damit ich dir die Fresse polieren kann.«
Seelenruhig drückte ich seinen Kopf in die Schweinescheiße.
»Kommt mir bekannt vor: Ich will mich geschmeidig mit dir austauschen, und du wütest wie ein angeschossener Gorilla.« Mit diesen Worten tauchte ich seinen Kopf erneut in die Exkremente.
»Können wir uns jetzt gesittet unterhalten?«
Sein Nicken signalisierte, dass endlich Ruhe im Stall war.
»Also, was sollte die Attacke?«, ließ ich ihn los und trat zur Seite.
»Du hast Mona auf dem Gewissen!«
»Du tickst wohl nicht sauber! Erst gehst du auf mich los, weil ich mit Ulrike gesprochen habe, und jetzt, weil ich Mona getötet haben soll.«
»Doch nur, weil ich sie liebe«, stöhnte Hirschmann und rieb sich den Dreck aus dem Gesicht.
»Wen? Ulrike, Mona oder wen sonst noch? Nicht so einfach mit deinen Weibergeschichten.«
»Ich liebe nur Ulrike. Und Mona«, fügte er hinzu. »Mona wurde in letzter Zeit von einem Irren belästigt. Deswegen habe ich vor ihrem Haus auf der Lauer gelegen. Du gehst rein, und anschließend ist sie tot. Wer sollte sonst der Mörder sein?«, spie er mich
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