Mein skandaloeser Viscount
breitschultriger Mann, der sie aufmerksam musterte. Er trug eine beige Weste über weißem Hemd, eine elegant gebundene silberfarbene, spitzenbesetzte Halsbinde, aber keinen Gehrock. Enge grau gestreifte Hosen und glänzend polierte schwarze Stiefel ergänzten seine saloppe Kleidung, mit der er sich Victorias Meinung nach als Ladeninhaber auswies.
Charmant lächelnd strich er sich eine graumelierte Locke aus der Stirn und hielt sich eine mit roten und goldenen Federn verzierte Vogelmaske vor sein Gesicht.
Nachdem er sie einen Moment durch runde Augenhöhlen fixiert hatte, nahm er die Maske wieder ab und legte sie ins Regal zurück. Sein Lächeln schwand, ungeniert betrachtete er sie von Kopf bis Fuß, bis sein Blick an ihrem Busen hängen blieb. Unverhohlen bewunderte er ihre Gestalt in ihrem neuen Kleid aus indischer Seide. „Non sono un santo.“
Hitze stieg Victoria in die Wangen, während sie sich um einen gleichmütigen Eindruck bemühte. Auch wenn sie nicht verstanden hatte, was der Fremde gesagt hatte, hatte sein Tonfall lüstern und anstößig geklungen. „Ähm … Verzeihen Sie, ich spreche kein Italienisch.“
Sie hielt die schwarze Samtmaske höher, um ihn abzulenken. „Sind Sie der Inhaber dieses Geschäfts? Sprechen Sie Englisch? Wenn ja, können Sie mir sagen, wie man diese Maske befestigt?“
Er hob eine dunkle Braue. „Britisch?“, fragte er mit starkem Akzent.
Wie gut, er sprach Englisch. „Ja, ich bin Britin.“
Er trat näher, er roch nach Zigarren und Leder. „Zu Besuch? Oder bleiben Sie länger?“
Victoria schluckte, seine Fragen waren ihr unangenehm, und seine Blicke störten sie erheblich. Als begutachtete er eine Flasche erlesenen Brandy, die er verkosten wollte. „Ihre Fragen sind keineswegs angebracht. Ich ersuche Sie, dies zu unterlassen.“
„Aha. Verstehe.“
„Vielen Dank.“
Er nickte und kam noch näher. Seine breitschultrige Gestalt wirkte in dem schmalen Gang ausgesprochen bedrohlich. „Nehmen Sie den Hut ab und öffnen Sie den Mund für mich.“
Victoria wich zurück. „W…wie bitte?“, stammelte sie und krallte die Finger um die Maske.
Der Fremde folgte ihr. Ein unheimlicher Schatten, dessen Gesichtszüge im einfallenden Licht der Fenster hinter ihm kaum zu erkennen waren. „Legen Sie den Hut ab und öffnen Sie den Mund. Ich helfe Ihnen, die Maske aufzusetzen. Den Holzsteg nimmt man in den Mund und hält ihn mit den Zähnen fest.“
Aha! Dafür war der Steg also gedacht. Mit einem verlegenen Lachen blickte Victoria auf die Maske. „Verstehe. Danke. Verzeihen Sie, aber einen Moment lang dachte ich tatsächlich …“ Sie stockte peinlich berührt, es wäre höchst unschicklich gewesen, ihre Gedanken einem Fremden gegenüber zu äußern.
„Ich fühle mich geschmeichelt.“ Lächelnd deutete der Mann auf die Bänder ihres Hutes. „Legen Sie den Hut ab. Ich helfe Ihnen.“
„Nein danke. Das ist nicht nötig. Ich …“
„Man kann keine Maske kaufen, ohne sie anzuprobieren. Nur zu, trauen Sie sich.“
Sie wich weiter zurück. Wieso war er so aufdringlich? Fürchtete er, sie würde die Maske nicht kaufen? „Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, Sir, aber es ist wirklich nicht nötig. Ich kaufe die Maske auf jeden Fall. Die Idee mit dem Holzsteg finde ich amüsant.“
Er zog die dunklen Brauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine breiten Schultern spannten den Stoff seines weißen Hemds. „Daran ist nichts amüsant. Das ist eine Moretta. Solche Masken wurden früher von Klosterfrauen getragen, denen es nicht gestattet war zu sprechen. Ist es das, was Sie suchen? Eine Maske, um Ihre Gefühle dahinter zu verbergen?“
Sie lachte gekünstelt. Seltsam, dass sie sich ausgerechnet diese Maske ausgesucht hatte. Sie sollte sich nach einer anderen umschauen. Jonathan wäre enttäuscht, wenn sie damit auf dem Kostümball erschien, schließlich tat er nahezu alles dafür, dass sie sich zu ihren wahren Gefühle bekannte. Nein, eine solche Maske wollte sie nicht wieder tragen. „Danke, dass Sie mich über den ursprünglichen Zweck der Maske aufgeklärt haben. Ich werde mir eine andere aussuchen, eine, die fröhlicher stimmt. Wenn Sie mich entschuldigen wollen, signore , ich …“
Er versperrte ihr den Weg und ließ die Arme sinken. „Sie sind sehr hübsch“, stellte er mit seitlich geneigtem Kopf fest. „Wie heißen Sie? Wohnen Sie bei der Dame, in deren Begleitung Sie sind? Eine Freundin? Eine Verwandte?“
Verblüfft blinzelte
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