Mein wildes rotes Herz
Das Baby passte genau in seine Hände.
Während er neben dem Bett stand, kümmerte Caroline sich um Mary, drückte die Nachgeburt aus dem Körper und band die Nabelschnur ab. Ab und zu warf sie einen Blick auf ihre Freundin, weil sie sich eine Besserung ihres Zustandes erhoffte. Doch die kam nicht. Allerdings sah sie nicht mehr ganz so blass aus.
»Sollen sie so klein sein?«, fragte Wolf sie, als sie das Kind in ein Laken wickelte.
»Ich glaube nicht, aber sie ist ja auch zu früh zur Welt gekommen.« Obwohl es so winzig war, ging es dem Kind besser als seiner Mutter. Caroline gab das Baby Wolf zurück und tauchte einen Waschlappen in das Wasser am Bett. Sanft begann sie, Mary damit das Gesicht abzuwaschen.
Wolf wusste nicht, was er tun sollte, und so ging er auf und ab und hielt das Baby dabei, als wäre es aus Glas. Er war sich Carolines sehr bewusst, die über das Bett gebeugt dastand, leise mit seiner Schwägerin sprach, und er wünschte, er könnte etwas tun, hatte aber gleichzeitig Angst, den Blick von dem blutverschmierten Kind in seinen Händen abzuwenden. Er wollte erst fragen, ob das Kind sich vielleicht verletzt hätte, aber dann dachte er, dass Caroline dann sicher schon etwas unternommen hätte. Zumindest hoffte er das.
Er überlegte gerade, wo er sein Gewehr abgestellt hatte, als Caroline ihn ans Bett rief. D a s Baby jammerte jetzt nicht mehr, und Wolf war froh, dass er der Mutter kein weinendes Kind übergeben musste, denn Mary hatte die Augen aufgeschlagen.
»Gib sie mir.« Marys Stimme klang schwach. Caroline ergriff das Kind und legte es der Mutter in die Arme. Nur der Schatten eines Lächelns huschte kurz über Marys Gesicht, doch das reichte, um auch Wolfs Stimmung zu bessern. Dann bemerkte er Carolines ernsten Gesichtsausdruck.
Caroline redete ruhig weiter mit Mary, erzählte ihr, wie schön ihre Tochter sei und wie stolz sie auf sie seien.
Erst als er aus dem Zimmer ging, um nach seinem Gewehr zu suchen, wurde ihm klar, dass etwas nicht in Ordnung war.
Caroline stand am Bett und säuberte Mary ... endlich wurde das Wasser, das er geholt und noch einmal erhitzt hatte, doch gebraucht... aber er war überrascht, als sie ihm in den Flur folgte und die Tür schloss.
Die Kerze im Wohnzimmer spendete nur spärlich Licht, doch es reichte aus, um Carolines beunruhigtes Gesicht zu zeigen. »Was ist los?«
»Ich mache mir Sorgen um Mary.« Caroline schlang die Arme um ihren Leib und trat ans Fenster. Draußen lag das Mondlicht silbern auf den letzten Blättern. Sie sah zu, wie ein Waschbär über die Wiese eilte, ehe sie sich zu Wolf umdrehte. »Sie ist so schwach.«
»Vielleicht ist sie müde«, meinte er. »Du bist doch auch erschöpft, oder?«
Caroline lachte bitter. »Sie hat sicher das Recht, erschöpfter zu sein als ich.« Wieder sah sie aus dem Fenster.
»Du hast es gut gemacht.«
Seine Worte klangen warm. Als Caroline sich umsah, stand er direkt hinter ihr, und sie wich unsicher bis zum Fenster zurück. Ihr Kopf sank an die kalte Scheibe.
»Ma r y kann von Glück sagen, dass du hier warst.« Wolf widerstand dem Drang, sie auf den zarten Hals zu küssen.
»Ich wusste nicht, was ich tun soll. Wenn Mary mir nicht gesagt hätte ...« Carolines Stimme verebbte.
»Aber sie hat es gesagt.«
Da sah sie ihn an, und ihre blauen Augen blickten ernst. »Ich glaube, du hattest Recht, als du mir in Charles Town gesagt hast, dass ich nicht hierher gehöre.«
»Wie kommst du denn zu dem Schluss?«
Er stand noch immer bei ihr, aber sie hatte das Gefühl, als wäre er einen Schritt zurückgewichen. »Seltsamerweise nicht durch den Überfall oder die Gefangenschaft.«
»Wodurch dann?«
Caroline holte tief Luft. »Durch das Wissen, dass Mary vielleicht sterben könnte ... und ich ihr nicht helfen kann.«
»Meinst du nicht, dass du dir selber zu viel Verantwortung auflädst?«
»Seltsam, dass gerade du so etwas sagst.« Als er sie fragend ansah, fuhr sie fort: »Du denkst doch, du seist dafür verantwortlich, dass es zwischen den Cherokesen und den Engländern nicht zum Krieg kommt.«
Er grinste. »Wir reden hier nicht von mir. Du bist diejenige, die der irrigen Annahme ist, sie sei hier fehl am Platz.«
»Ich akzeptiere jetzt nur, was du von Anfang an erkannt hast.«
»Ich habe mich geirrt.«
»Was?« Caroline hob den Kopf.
»Ich habe deine zarte Erscheinung als Zeichen dafür missverstanden, dass du nicht .stark genug bist. Ich habe mich geirrt.«
»Warum nur habe ich das Gefühl,
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