Mein Wille geschehe
gut geht? Er ist ein
bisschen langsam im Kopf, wissen Sie. Man muss
sich um ihn kümmern.«
»Ich schau mal, was ich tun kann«, versprach der
Ermittler. Er hatte bereits einen Plan.
Judith Purcell wusste nicht mehr, wie sie nach
Hause gekommen war. Sie wusste nicht mehr,
wie sie aus dem Auto gestiegen und ins Haus ge-
gangen war. Als Tom Kirby sie fand, saß sie noch
immer im Dunkeln auf der Treppe, im Mantel.
»Was ist los?«, fragte Kirby beunruhigt.
Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie etwas los-
werden. »Wie viel Uhr ist es?«
»Fast sechs«, sagte er. »Wo ist Andy?«
»Welcher Tag ist heute?«
»Was soll das heißen? Heute ist Dienstag.«
»Dann ist Andy beim Basketball. Was machst du
denn hier?«
»Ich hab mein blaues Hemd hier gelassen.«
»Oh«, erwiderte sie. »Ich hab es noch nicht ge-
waschen.«
»Das macht nichts. Sag mir jetzt, was passiert
ist.« Nichts ist passiert, nur mein Leben ist zer-458
stört, dachte sie. Der stellvertretende Bankdirektor war sehr nett zu ihr gewesen, aber das änder-
te auch nichts mehr. »Es tut mir wirklich Leid,
Mrs Purcell«, hatte er gesagt, »aber Ihre Raten
für die Hypothek auf Ihrem Haus, nun ja, sie sind seit Monaten nicht mehr bezahlt worden. Wir haben Sie wiederholt benachrichtigt. Wir wollten
versuchen, Ihnen zu helfen. Wir haben Sie ge-
warnt vor dem, was nun geschieht. Uns bleibt
keine andere Wahl.«
»Nichts«, sagte sie zu Tom. Es nützte auch
nichts, wenn sie sich an seiner Schulter auswein-
te. Er konnte ihr nicht helfen. Er hielt sich ja
selbst nur mühsam über Wasser. Bislang war es
Judith immer gelungen, wieder auf die Füße zu
fallen, auch als ihr erster Mann so überraschend
starb und als ihre zweite Ehe auseinander ging.
Doch diesmal brach der Boden unter ihr weg, das
wusste sie.
»Tja, wenn du bei nichts in diesem Zustand bist,
möchte ich nicht sehen, wie du drauf bist, wenn
wirklich was nicht stimmt«, sagte er. »Sprich mit mir.«
Sie schaute zu ihm auf und seufzte. »Ich werde
mein Haus verlieren«, sagte sie. »Was meinst du
damit? Wieso denn?«
»Weil ich seit einiger Zeit die Raten nicht mehr
zahlen kann und die Bank mir den Kredit kün-
digt.«
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»Seit wann hast du die Raten nicht mehr be-
zahlt?« Sie zuckte die Achseln. »Seit sechs Mona-
ten.«
»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«, woll-
te er wissen.
»Wozu denn?«, erwiderte sie. »Das ist doch mein
Problem, nicht deines. Außerdem hab ich nicht
angenommen, dass du mir helfen könntest.«
»Du hättest es mir trotzdem sagen sollen«, be-
harrte er. »Wer weiß, vielleicht wäre mir was eingefallen.«
Sie lächelte wehmütig. »Für jemanden, der keine
Bindung eingehen will, hörst du dich plötzlich
ziemlich ernsthaft an.«
»Schau, ich verfüge nicht über die Summen, die
du hier brauchst, aber es muss irgendeine Mög-
lichkeit geben«, sagte er. »Besitzt du irgendwas
Wertvolles, das du verpfänden könntest?«
»Das ist alles schon lange weg«, sagte sie. »Und
deine Freundin Dana? Sie verdient doch bestimmt
gut. Könnte sie dir nicht was leihen?«
»Sie kauft schon seit Jahren meine Arbeiten, weit über Wert. Mehr kann ich nicht von ihr verlangen.«
»Und deine Familie?«
»Meine Mutter hat getan, was sie konnte«, sagte
Judith und biss sich auf die Lippe. »Diesmal bin
ich echt am Ende. Für mich selbst ist es nicht so schlimm, aber es tut mir so Leid für Andy. Er
kann nichts dafür, dass er eine nichtsnutzige
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Mutter hat, und er sollte nicht darunter leiden
müssen.«
»Was wirst du tun?«, fragte er.
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Irgendeinen Job suchen, denke ich, obwohl ich keine Ah-
nung habe, was ich überhaupt kann. Eine billige
Wohnung für uns suchen. Ich dachte immer, der
große Auftrag ist nicht mehr weit, weißt du«,
sagte sie mit rauer Stimme, »mit dem ich mir
einen Namen machen und endlich erfolgreich
werden kann.« Tränen rannen ihr über die Wan-
gen. »Ich bin wirklich eine gute Künstlerin«,
schluchzte sie. »Es ist so ungerecht.«
»Es wird schon eine Lösung geben«, sagte er.
»Gibt es eben nicht«, entgegnete sie unter Trä-
nen. »Glaub mir, ich kann niemanden mehr an-
pumpen. Ich habe alles in Anspruch genommen,
was ging, und habe damit meine Mutter noch fast
ins Armenhaus gebracht. Ich habe nicht nur Pe-
ter, sondern auch Paul ausgenommen, und nun
holt mich das alles ein.«
»Irgendeine Lösung gibt es«, wiederholte
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