Mein Wille geschehe
am Prozess teil-
nehmen und nicht abgeschirmt werden wollen,
werde ich anordnen, dass Sie zum Gerichtssaal
und zurück eine Eskorte bekommen. Das gilt
auch für alle anderen Geschworenen. Von jetzt an
wird für die Sicherheit sämtlicher an diesem Pro-
zess beteiligter Geschworener gesorgt.«
»Danke«, sagte Allison. »Ich glaube, das werden
wir alle zu schätzen wissen.« Sie dachte an Kar-
leen McKay, die auch Blutergüsse und Schürfun-
gen davongetragen hatte. Die Mäklerin war mit
ihr im Krankenhaus gewesen und hatte noch ge-
wartet, bis man Allison in ein Einzelzimmer ver-
legt hatte.
»Die Verhandlung wurde bis morgen früh ver-
tagt«, teilte der Richter den Anwälten mit und
sah dann die Geschworene an. »Das heißt, nur
wenn Sie sich im Stande fühlen, morgen wieder
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hierher zu kommen«, fügte er hinzu. »Andernfalls
warten wir so lange, bis es Ihnen besser geht.«
»Ich werde kommen«, erklärte Allison. Sie hatte
nicht die Absicht, diese Tortur länger zu ertragen als unbedingt notwendig.
»Sagen Sie mir die Wahrheit«, verlangte Corey.
»Was meinen Sie, wie sieht es aus?«
Dana war ins Gefängnis gegangen, um ihm zu
sagen, dass die Verhandlung auf den nächsten
Tag verschoben worden war, und man hatte ih-
nen ein Treffen in dem violetten Raum gestattet.
»Ich denke, so gut, wie man es erwarten kann«,
antwortete Dana vorsichtig.
»Sie hören sich an wie ein Arzt, der dem Patien-
ten nicht sagen will, dass er sterben wird«, sagte Corey und verzog das Gesicht.
»Die Anklage hat versucht, mehrere Zufälle so
aneinander zu reihen, dass sie auf Sie hinzuwei-
sen scheinen«, erklärte Dana. »Ich will Ihnen
nichts vorlügen, Brian Ayres hat das recht schlau angestellt. Aber das ist eben nur die Hälfte des
Bilds. Jetzt sind wir dran, und wir werden den
Geschworenen die andere Hälfte vorführen. Wir
werden diese scheinbare Logik untergraben, Al-
ternativen aufzeigen und offenbaren, dass diese
Zufälle eben nur Zufälle sind, nichts weiter.«
»Ich will in den Zeugenstand«, verkündete Corey.
»Ich will den Geschworenen sagen, dass ich diese
Menschen niemals hätte töten können.«
»Sie werden Ihre Chance bekommen«, versicher-
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te sie ihm. »Ich hoffe nur, dass sie mir glauben
werden.« Dana legte ihre Hand auf seine. »Das
hoffe ich auch«, sagte sie.
Er blickte auf ihre Hand hinunter. »Diese Frau,
die verletzt wurde«, sagte er, »wird sie wieder
gesund werden?«
»Ja, ich denke schon.«
Corey stieß einen Seufzer aus. »Ich will, dass das endlich vorbei ist«, murmelte er. »Ich will nicht, dass irgendjemand wegen mir verletzt wird.«
»Ich bin beunruhigt«, gestand Roger Roark seiner
kleinen Gruppe von Beratern. »Ich denke, dass
McAuliffe es geschafft hat, die Beweise der An-
klage so zu zerlegen, dass die Geschworenen auf
ihrer Seite sind und womöglich ein Freispruch
herauskommt. Jetzt holt sie überdies zum Gegen-
schlag aus, und wir müssen uns etwas einfallen
lassen, wie wir sie daran hindern.«
»Wie haben Sie sich das vorgestellt?«, fragte je-
mand. »Ich habe noch keine Ahnung. Sie sind
meine Vordenker und sollen sich etwas einfallen
lassen.«
»Zuerst möchte ich noch etwas sagen«, meldete
sich der massige Mann mit der schiefen Nase zu
Wort. »Ich habe das Prozessgeschehen ziemlich
genau verfolgt, und ich muss Ihnen sagen, dass
ich nicht mehr sicher bin, ob Corey Latham wirk-
lich schuldig ist.«
»Und?«, fragte Roark.
»Vielleicht sollten wir McAuliffe einfach in Ruhe 536
lassen. Soll sie doch ihre Arbeit machen. Warum
sollten wir dafür sorgen, dass der Junge verurteilt wird, wenn er unschuldig ist?«
»Sie gehören dieser Gruppe schon lange an«,
erwiderte Roark geduldig. »Lange genug, um
begriffen zu haben, dass es immer um die Sache
geht, nicht um das Individuum. Immer um die
Sache.«
Erst um Mitternacht war Dana ruhig genug, um
zu Bett zu gehen. Sie versuchte, leise zu sein,
aber Sam wachte trotzdem auf. Oder vielleicht
hatte er auch auf sie gewartet. Jedenfalls zog er sie in seine Arme.
»Ich weiß, dass es ganz anders ist, weil es dabei nicht um Menschenleben geht«, murmelte er in
ihr Haar. »Aber ich habe immer vor einem Kon-
zert so ein nervöses Gefühl, als könne mich je-
mand im Publikum als Betrüger entlarven, als
könne ich gar nicht wirklich spielen und als könne die Konzerthalle einstürzen. Ich denke, das ist
Lampenfieber.« Dana lächelte und schmiegte sich
an
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