Meine Seele gehoert dir - Angelfire ; Bd. 1
gesprungen, und wir haben ihn zur Strecke gebracht.«
»Wow«, hauchte ich.
»Das war eine denkwürdige Nacht«, sagte er. »Du warst unglaublich.«
»Klingt eher, als wärst du unglaublich gewesen.«
Er schüttelte den Kopf. »Du hast mich immer wieder in Erstaunen versetzt. Deine Kraft hat mich an deiner Seite gehalten. Sie ist der Grund, aus dem ich dir folge.«
Ich lächelte. »Ich wünschte, ich könnte mich erinnern.«
»Das wirst du«, beharrte er. »Ich sage dir das immer wieder, weil es wahr ist. Viele Erinnerungen würde ich dir gern ersparen, aber sie alle machen dich zu der, die du bist. Niemand hat derart unaussprechliche Tragödien erleiden müssen wie du, und dennoch bist du menschlicher geblieben als alle anderen Wesen auf der Welt.«
»Du klingst so traurig.«
»Das bin ich auch«, erwiderte er.
Ich ließ die Finger durch sein Haar gleiten, worauf er sich umdrehte und mir in die Augen schaute. »Sei nicht traurig. Es tut mir leid.«
»Es gibt nichts, wofür du um Verzeihung bitten müsstest«, sagte er. »Ich kann mich noch so oft bei dir entschuldigen, aber es ist nicht wiedergutzumachen, wie oft ich dir nicht zur Hilfe gekommen bin und dich sterben lassen habe.«
»Will …«
»Ich habe wirklich noch nie ein Versprechen gebrochen, das ich dir gegeben habe. Du wirst Bastian überleben. Das schwöre ich dir.«
»Ich glaube dir.«
Eine Weile saß er schweigend und reglos da. Er schien tief in seine Gedanken versunken, und es brach mir das Herz, dass er sich so quälte.
»Ich habe eine Frage zu den Grigori«, sagte ich, um ihn von seinen trübsinnigen, selbstzerfleischenden Gedanken abzulenken. »Haben nicht ein paar von ihnen mit Menschen Nachkommen gezeugt?«
Er nickte. »Die Grigori waren nicht wirklich böse wie die Gefallenen, als sie gegen den Himmel rebellierten, aber dadurch, dass sie zur Strafe an die Erde gebunden waren, entwickelten sie sterbliche Begierden und Gefühle. Statt im Stillen über die menschliche Welt zu wachen, wie es ihre Bestimmung war, schliefen sie mit sterblichen Frauen und zeugten mächtige Mischwesen – halb Mensch, halb Engel –, die Nephilim. «
»Könnte es nicht sein, dass ich eine von ihnen bin?«, fragte ich. »Ich bin sterblich, aber ich verfüge über die Macht des Engelsfeuers.«
»Nein«, erwiderte er sanft. »Die Nephilim waren Monster. Sie wurden aus dem Geist der Gefallenen geboren, und von ihnen ist nichts Gutes gekommen. Sie waren riesig und brutal, monströser als die furchterregendsten Reaper. Gott überflutete die Erde, um sie zu vernichten, und dann machte er die Grigori unfruchtbar, damit keine weiteren Gräuelwesen entstehen konnten. Eine Handvoll Nephilim mag überlebt haben, aber ich habe noch keinen von ihnen gesehen. Du könntest unmöglich eine von ihnen sein. Dann wärst du drei Meter groß und immer auf der Suche nach einer Schlägerei.«
»Sie müssen grässlich gewesen sein.«
»Das waren sie«, sagte er. »So grässlich, dass Gott die Sintflut geschickt hat, um sie zu beseitigen. Das hat er bislang nur ein einziges Mal getan, und du weißt von all den schrecklichen Dingen, die heutzutage passieren. Er muss ziemlich verzweifelt gewesen sein.«
Ich konnte mir keine schrecklicheren Ungeheuer vorstellen als die Reaper, denen ich begegnet war. Unwillkürlich fragte ich mich, wie die Gefallenen aussahen und was es mit Luzifer, Sammael und Lilith auf sich hatte. »Warum hat Luzifer sich aufgelehnt? Warum sollte er etwas so Grauenvolles wie den Krieg gegen den Himmel riskieren?«
»Ich fürchte, das kann ich dir nicht beantworten.«
»Aber was glaubst du?«, fragte ich. »Du hast doch bestimmt eine Theorie.«
Er schloss die Augen, und ich strich ihm erneut übers Haar. »Liebe, glaube ich.«
»Liebe?« Ich lachte kurz auf. »Ich dachte, Luzifer wäre böse. Da kann er doch keine Liebe empfinden.«
»Doch«, sagte Will und sah mich an. »Er hat Gott sehr geliebt, aber ein Engel soll keine Liebe empfinden. Gott jedoch schon, und mehr als alles andere liebt er die Menschen. Ein Engel darf auch keine Eifersucht empfinden, aber Luzifer war eifersüchtig auf die Menschen, weil Gott sie mehr liebte als ihn. Er hat rebelliert und verloren.«
»Es klingt wahrscheinlich seltsam, aber irgendwie tut er mir leid.«
»Liebe ist etwas Wunderschönes, aber auch etwas Schreckliches«, sagte er. »Man muss sehr vorsichtig damit sein. Sie kann einen vernichten. Aus diesem Grund sollen Engel keine Gefühle empfinden. Sie müssen unfehlbar
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