Meine Welt hinter den Sternen - Vestin, A: Meine Welt hinter den Sternen
beruhigen. Ich hatte Mitleid. Wie konnte man nur einen alten, zerbrechlichen Mann hier einfach so liegen lassen? Tränen stiegen mir in die Augen. „Ich …“, fing er mit matter Stimme an. Ich folgte seinem Blick. Er hatte ihn auf seinen Arm gerichtet. Dort trat Blut hervor. „Oh Gott! Sie bluten ja!“, schrie ich. Schnell drückte ich den Stoff meines Nachthemds auf die blutende Wunde. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, rief ich. Vielleicht hörte er ja schlecht. Mein Geschrei würde man sicher unten im Schloss noch hören, da war ich mir sicher. Oder zumindest auf den Gängen. Doch dann nickte der Mann. „Er … muss … sie …“, fing er an. „Ja, was wollen Sie sagen?“, fragte ich schnell. „Heiraten. Ana… Anas…“ „Sie meinen Anastasia?“, half ich ihm auf die Sprünge. Dann nickte er wieder und schnaufte schwer. Anastasia. Wen sollte die junge Prinzessin heiraten? Was hatte dies alles zu bedeuten?
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein Diener erschien. „Geh sofort weg! Er braucht Hilfe! Lauf hinunter in die Halle und hole Aaron!“, erklärte er mir. Ich lief los. So schnell ich konnte rannte ich die Stufen hinunter. Ich stolperte, fiel hin, rappelte mich auf und rannte weiter. Vielleicht ging es hier ja um ein Menschenleben. Als ich unten ankam, saß Aaron bereits in seinem Sessel. „Tara, was ist los? Sag schon! Was bedeutet das Blut an deinem Ärmel? Bist du ver…?“, brüllte er und dann rannte er auch schon los. „Aaron, ich … muss dir etwas sagen!“, rief ich. „Später“, antwortete er und lief die Stufen hinauf. Ich setzte mich auf seinen Sessel und sackte zusammen.
Geschichte
Ich wusste nicht, wie lang ich dort saß, doch als Aaron kam und mich wachrüttelte, war mir klar, dass ich eingeschlafen war. Ich erkannte, dass auch er Blut auf seinem Hemd hatte. „Aaron, was ist passiert? Wer ist der Mann?“, fragte ich noch etwas schlaftrunken, trotzdem war meine Stimme etwas höher als sonst. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Ich glaubte, Tränen erkennen zu können. „Ist er … ist er … tot?“ Ich wagte das Wort gar nicht auszusprechen. Der junge Prinz richtete sich auf, doch brach gleich darauf zusammen. Ich fing ihn auf und setzte mich zu ihm auf den Boden. Seinen Kopf legte ich in meinen Schoß und strich ihm über das Haar. Ich konnte nichts dagegen machen, die Tränen traten aus meinen Augen. Doch nicht nur ich weinte, auch Aaron weinte. Nie hätte ich gedacht, dass Aaron weinen konnte. Er war mir so stark und selbstbewusst vorgekommen. Und jetzt lag er in meinen Armen und weinte. Er wirkte so zerbrechlich.
Lange saßen wir da. Dann fand der Prinz seine Stimme wieder und sprach langsam, aber deutlich zu mir: „Es tut mir leid, dass du meinen Vater so kennenlernen musstest.“ Wieder überkam ihn ein Schluchzen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sein Vater? Der Mann, den ich gerade eben noch versucht hatte zu trösten? Nein, das konnte nicht sein. Er sah Aaron doch gar nicht ähnlich, oder doch? „Du willst es nicht glauben, stimmt’s?“, sagte Aaron. „Ich will, aber ich kann nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Sag, lebt er noch?“, fragte ich stotternd. Aaron nickte und ich war erleichtert. Es fiel mir ein Stein vom Herzen. Schließlich setzte sich Aaron auf. Seine Augen waren so rot wie der Teppich unter seinem Sessel. Ich hielt ihm ein Taschentuch hin, das ich in einer Seitentasche gefunden hatte. Dankbar nahm er es entgegen. Er schnäuzte sich und versuchte zu lächeln, doch es wurde nur eine Grimasse. Trotz seines Schmerzes sah er noch immer schön aus. „Ich werde es dir jetzt erzählen. Aber versprich mir, dass du jedes Wort glauben wirst“, sagte er und schaute mich durchdringend an. Ich nickte. Aaron ließ alle Wachen abtreten. Nun waren wir in der Halle allein.
„So ist es jedes Mal“, begann er seine Geschichte zu erzählen und ich hörte aufmerksam zu. „Jedes Mal höre ich sein Schreien. Es ist nur noch Schmerz. Schon oft hätte er ins Reich der Toten gehen können. Doch ich will das nicht zulassen.. Ich kann nicht ohne ihn leben. Ich liebe ihn, weißt du. Trotz seiner Krankheit. Ich kann nicht ohne ihn …“ Wieder schluchzte er und begann zu weinen. Ich überwand mich und nahm ihn in den Arm. Ich spürte seinen Atem an meiner Schulter und drückte ihn fest an mich. Trotz der trau-rigen Situation war ich glücklich. Ich hatte einen Menschen im Arm, den ich gern hatte. Aaron erzählte mir seine Probleme
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