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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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bekommen. Natürlich war
     es verboten, ein solches Buch zu besitzen, nur leise durfte darüber im privaten Kreis gesprochen werden. Das wusste auch Klaus,
     und geschäftstüchtig, wie er war, verlieh er das Werk zu einem Tagessatz von einer Ost-Mark.
    Fritz Walter fand ich großartig, nichts hätte ich aufregender gefunden, als meinen Helden einmal leibhaftig bei einem Spiel
     zu sehen. Immerhin konnte ich durch das Buch wenigstens mehr über ihn erfahren. Dort wurde berichtet, dass er aus einfachen
     Verhältnissen stammte und sich mit viel Fleiß und Talent in die Welt des Fußballs gespielt hatte. Im Krieg soll er den Hitler-Gruß
     abgelehnt, Briefe nicht mit «Heil Hitler» unterzeichnet und in seinem früheren Vereinslokal, dem des TSG Diedenhofen, einmal
     sogar «Heil Moskau» gerufen haben. Walter kam in dem Buch richtig gut rüber, als ein volksnaher Fußballer. Zweimal las ich
     es durch, in insgesamt zwei Nächten, für zwei Mark.
    Zwei Jahre später sollte mein Traum in Erfüllung gehen. 1956 war das Zentralstadion Leipzig eröffnet worden, aufgebaut aus
     Schutt und Asche. Als «Stadion der Hunderttausend» wurde es berühmt – so viele Zuschauer gingen hinein. Und es waren alles
     Sitzplätze. Kurz nach der Eröffnung trat dort der DD R-Verein SC Wismut Karl-Marx-Stadt gegen den 1.   FC Kaiserslautern an. Bei den Lauterern spielten einige Weltmeister, die Brüder Fritz und Ottmar Walter sowie der rechte Außenläufer
     Horst Eckel. Eigentlich hatte die Begegnung in Aue, also im Erzgebirge stattfinden sollen, aber wegen der großen Resonanz
     verlegte man sie nach Leipzig. Wo wichtige Spieler der «Walter-Elf» auftraten, war das volle Stadion vorprogrammiert. Selbst
     das Zentralstadion |54| war total überfüllt, sicher mehr als 110   000   Menschen bejubelten dieses Spiel.
    Fritz Walter schoss damals sein legendäres Hackentor, es wird noch heute als eines der besten Tore aller Zeiten bezeichnet:
     Er hatte sich nach vorn fallen lassen, zu einem Flugkopfball, schoss den Ball dann aber mit der rechten Hacke über den eigenen
     Kopf ins rechte Eck. Es war einfach spektakulär, technisch eine geniale Leistung. Sportreporter Wolfgang Hempel, der auch
     diese Begegnung moderierte, bezeichnete es als «Tor des Jahrhunderts». Und ich war dabei, hatte es live miterlebt. Mein großes
     Idol Fritz Walter von meinem Platz aus gesehen.
    Damals identifizierte man sich nicht so sehr mit Vereinen, sondern vielmehr mit einzelnen Fußballern. Und meine kamen vorwiegend
     aus dem Westen. Neben Fritz Walter begeisterte ich mich für Toni Turek sowie den brasilianischen Spieler Garrincha. Garrincha
     war ein begnadeter Außenstürmer, trotz oder gerade wegen seiner krummen Beine. Später wurde Pelé für mich unvergesslich. Bei
     der Fußballweltmeisterschaft 1958 in Schweden   – Brasilien gewann – war dieser begnadete Spieler noch nicht einmal achtzehn Jahre alt.
    An unserer Schule hatte es einen Jungen gegeben, der in demselben Alter in die DD R-Juniorenauswahl gekommen war. Eines Tages schickte er der Schule eine Postkarte aus Bulgarien, wo er ein Länderspiel bestritten hatte. Auf
     der Karte befanden sich die Unterschriften aller beteiligten Fußballer, darunter einige, die später in der Oberliga spielten,
     sogar spätere Nationalspieler. Unser Rektor schenkte sie mir als Auszeichnung für meine fußballerischen Leistungen. Ich war
     damals nur vier Jahre jünger als der ehemalige Schüler – und träumte davon, eines Tages ebenfalls meine Unterschrift auf eine
     solche Karte setzen zu können. Selbstverständlich hatte ich Angst, jemandem davon zu erzählen, dachte, man könnte mich überheblich
     finden, wenn ich mir solch hochgesteckte Ziele setzte. Tatsächlich konnte |55| ich später eine entsprechende Karte an meine ehemalige Schule schicken.
    Auch wenn mir all diese Vorbilder großer Ansporn waren, noch hatte ich keine Vorstellung davon, dass Fußballspieler ein richtiger
     Beruf sein konnte. Als ich vierzehn wurde, fragten meine Eltern immer wieder, was ich denn werden wolle. Erst hatte ich, wie
     viele Jungen zur damaligen Zeit, den Wunsch, als Straßenbahnfahrer zu arbeiten. Da ich häufig mit diesem Verkehrsmittel unterwegs
     war, insbesondere mit den Linien 4, 7 und 22, kannte ich in Leipzig fast jede Haltestelle, wusste genau, wann in welcher Kurve
     die Klingel betätigt wurde. Doch dieser Traum legte sich bald wieder und wurde von dem nächsten abgelöst: Flugzeugmonteur.
    Zwischen

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