Melli - einmal blinzeln und von vorn
aufgefangen, als sie die Treppen hinuntergestürzt war, weil sie möglichst schnell nach Hause kommen wollte. Weil du angerufen hattest wegen Finchen und dann hat Adrian sie nach Hause gefahren und Finchen gleich zum Tierarzt und er war unglaublich hilfsbereit ...«
»Nein!«, rief Melli entsetzt. »Nein, so war es nicht! Eigentlich war es ganz anders!«
Melli hätte vor Wut schreien können, so ohnmächtig fühlte sie sich. Das war unglaublich bescheuert. Wie um alles in der Welt sollte sie Lora überzeugen?
Lora, der Mellis Frust nicht entgangen war, meinte versöhnlich: »WeiÃt du, was? Wenn du das nächste Mal so ein komisches Erlebnis hast, dann weckst du mich einfach. Und vielleicht schaffst du es sogar, irgendeinen Beweis von deinen Ausflügen mitzubringen. Dann glaube ich dir hundertprozentig, versprochen. Und jetzt müssen wir rüber. Kira wird schon ganz hibbelig vor Sorgen. Und sie trauert um ihren Auflauf. Der ist irgendwie verbrannt. Mal sehen, ob man noch was retten kann. Sonst gibt es eben nur Nachtisch. Kann mir ja gleich sein, ich bekomme sowieso die doppelte Portion. Oma wartet auch auf uns.« Lora zog sie energisch hoch, das Thema war für sie offensichtlich erledigt. Für Melli aber noch lange nicht. Wenn Lora einen handfesten Beweis wollte, bitte schön, kein Problem. Beim nächsten Zeitstopp musste sie unbedingt daran denken, ein paar Souvenirs mitzubringen. Jetzt galt es erst einmal, sich Oma Doro zu stellen. Hoffentlich hatte sie nicht mitbekommen, wie sie ihre Tasche durchwühlt hatte. Sie stöhnte, als sie an die forschenden Augen ihrer GroÃmutter dachte. Na, das konnte heiter werden.
Als sie zurückkamen, waren Pia, Christof und Kira ausgeschwärmt, um Pizzen zu holen. Der Auflauf war einstimmig als ungenieÃbar befunden worden. Oma Doro stand allein in der Küche und schnippelte an den Zutaten für einen Salat. »Die Speisekarte musste umgestellt werden«, sagte sie anstelle einer BegrüÃung. »Na, hat dich Lora aufgestöbert?«, fragte sie Melli. »Hatte ich recht, lag sie auf ihrem Bett?«, richtete sie sich an Lora, ohne Mellis Antwort abzuwarten. Die beiden Mädchen nickten nur und Melli durfte sich ihr Hallo-Küsschen bei ihrer GroÃmutter abholen.
»Nehmt schon mal Platz. Ich hoffe, dass wenigstens der Nachtisch geglückt ist und dass Kira es schafft, essbare Pizzen zu besorgen. Dass ausgerechnet ich eine derartig unbegabte Köchin zur Tochter haben muss, die nur Chili kochen kann, ist wirklich erstaunlich.«
Ohne ein Anzeichen von Verstimmung wegen Mellis neugierigem Gestöber in ihrer Handtasche verteilte sie Teller und Besteck. »Da hab ich mich extra beeilt, sogar meine Yogastunde ausfallen lassen, um euch noch vor dem Zubettgehen zu erwischen, und nun das.«
»Hast du uns die Bücher mitgebracht?«, fragte Lora mit vernehmlichem Magenknurren.
Ihre Oma hob die Augenbrauen. »Weshalb? Möchtest du sie als Vorspeise? Natürlich habe ich daran gedacht. Für jeden zwei. Einen Roman und ein Sachbuch. Die sollt ihr untereinander tauschen. Und ich möchte, dass ihr mir haarklein erzählt, wie ihr sie findet. Ihr wisst doch, dass ich eure Empfehlung für meinen Lesekreis und für meine Kunden brauche. Für Kira habe ich ein neues Kochbuch, mal sehen, ob es dieses Mal etwas bringt.« Achselzuckend zeigte sie auf den schwarzen Haufen, der in der Spüle stand. »Absolut hoffnungslos.«
Melli kicherte, als sie an ihre Kochaktion vor ein paar Tagen dachte.
»Da fällt mir ein, was ich euch unbedingt noch erzählen wollte, ist die Geschichte meines Kochs.« Oma Doro legte eine kunstvolle Pause ein. Melli und Lora wechselten einen heimlichen Blick, der irgendwo zwischen Augenverdrehen und gespannter Erwartung lag.
»Nun, also dieser Koch versüÃte uns damals in Indien den Alltag.«
»War er denn Inder?«, fragte Melli mäÃig interessiert und Lora fügte hinzu: »Wie hieà er? Wie sah er aus?«
»Natürlich war er Inder. Er hieà unter anderem Amrit, was so etwas Ãhnliches wie Nektar bedeutet, und er hatte noch drei weitere unaussprechliche Namen. Er war ein Gott der Küche. Stundenlang konnte ich neben ihm sitzen, ihm zuschauen und seine Gerichte probieren. Niemals zuvor oder danach habe ich so köstlich gegessen. Die Schärfe seiner Gerichte brannte wie eine warme, wohltuende Glut, aber niemals wie
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