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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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ausschließlich mit Schlafzimmerangelegenheiten beschäftigt, daß ich, solange der König noch weit weg von Kopenhagen ist und sicher nicht vor dem nächsten Monat zurückkehrt, nach allen nur denkbaren Mitteln Ausschau halte, den Grafen noch vernarrter in mich zu machen, damit er nur mir in tiefer Liebe eng verbunden ist und niemals woanders sein Vergnügen sucht.
    Heute – es kam plötzlich die Sonne heraus, so daß der Schnee auf Rosenborg zu tauen begann – hatte ich Herrn Bekker, den Hexenmeister, zu mir zitiert, und dieser schrieb mir die Zutaten für einen Liebestrank auf. Er sagte, dieser sei sehr stark, und ich müßte ihn meinem Mann (Bekker glaubt, er sei für den König, meinen Gatten, bestimmt) in kleinen Dosen verabreichen. »Sonst, Madam«, meinte Herr Bekker, »könnte er an einem Übermaß an Freude sterben, und das wäre ein schwarzer Tag für Dänemark.«
    Ich sagte nichts zu seiner letzten Bemerkung, sondern geleitete ihn rasch hinaus, weil ich fürchtete, er könnte einen verfrühten Nachruf auf seinen großen Meister halten. Leider las ich erst die Zutatenliste, als er schon gegangen war, und stellte fest, daß diese auch einen Fingerhutvoll Pulver vom gemahlenen Huf einer Antilope enthält. Ich glaube nicht, daß irgendein Apotheker in Kopenhagen eine ausreichende Menge von gemahlenem Antilopenhuf für mich vorrätig hat, und ich weiß auch nicht, wie sich überhaupt eine Antilope finden läßt, an deren Fuß man rasch eine Raspel ansetzen kann. Daraus ersah ich sofort, daß Hexenmeister in einer selbsterfundenen Welt leben und nicht mit uns anderen Sterblichen in der wirklichen. Und das ist sehr ärgerlich.
    Die Unmöglichkeit, das verflixte Antilopenhufpulver zu beschaffen, machte mir großen Kummer, und ich wollte gerade eine meiner Frauen herbeizitieren, um dem Hexenmeister nachzugehen und ihn zu fragen, was ich tun sollte, wenn ich nicht zu den Ebenen Afrikas oder den Bergen Nepals reisen und nach dem Tier suchen wollte, als ich bemerkte, daß Herr Bekker seinen Federkiel auf meinem Schreibtisch vergessen hatte.
    In der Absicht, ihn von meiner Frau zurückgeben zu lassen, nahm ich ihn in die Hand, und dabei fiel mir auf, daß er unglaublich und seltsam schön war, und ich begann, einer natürlichen Neigung folgend, mir damit über die Wange zu streichen.
    Die Feder war schwarz, jedoch mit einem Perlmuttschimmer und einem kleinen Flaumfederbusch am Ende, ähnlich dem Löckchen auf einem Babykopf.
    Dieses Liebkosen meiner Wange mit dem Federkiel beruhigte und besänftigte mich dermaßen, daß ich ganz vergaß, Herrn Bekker hinterherzuschicken. Ich beschloß, den Federkiel nicht zurückzugeben, sondern vielmehr so zu tun, als sei er nie in meinem Zimmer vergessen worden, um ihn behalten zu können. Ich glaube nämlich, daß er etwas Magisches hat. Die Haut meiner Wange fühlte sich danach sehr warm an, und in mir breitete sich so etwas wie ein Glücksgefühl aus, das dort, in meinem Gesicht, seinen Ausgang zu nehmen schien. Als ich es an der Tür klopfen hörte, schreckte ich aus meiner Träumerei auf und verbarg den Federkiel rasch in der Schublade meines Schreibtischs, wo ich auch diese Papiere hier aufbewahre und für die niemand außer mir einen Schlüssel hat.
    Meine Frau für die Füße, Hansi, trat ein. Sie hatte ein junges Mädchen von sehr süßer und angenehmer Erscheinung bei sich, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. »Madam«, sagte Hansi, »die neue Frau von Eurer Mutter ist eingetroffen. Hier ist sie! Sie heißt Emilia Tilsen.«
    »Aha!« sagte ich.
    Das Mädchen Emilia Tilsen knickste und verbeugte sich tief vor mir. Ich ging zu ihr hinüber, hob sie auf und hieß sie in meinen Diensten willkommen. Wenn mich der König auch ein eitles und seichtes Gefäß nennt und der Graf beim Peitschen meines Hinterns mit einer seidenen Kordel schreit, ich sei ein abscheuliches Flittchen, so weiß ich doch, daß ich noch lieb und nett sein kann, wenn ich mit meinem Leben im Einklang bin. Und dieses Mädchen Emilia rief in mir augenblicklich ein ganz deutliches Gefühl der Freundlichkeit und Ruhe hervor, wie ich es seit langem nicht mehr verspürt hatte.
    Sie hat ein blasses, ovales Gesicht und Haare, die weder dunkel noch hell sind. Ihr Lächeln ist sehr nett, und ihre Augen sind grau wie das Meer. Sie hat sehr kleine Hände.
    »Nun«, sagte ich, »wenn ich mich recht erinnere, kommst du aus Jütland, so daß du jetzt wohl müde bist und dich ausruhen möchtest.«
    Bei diesen Worten

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