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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Lim
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wispert sie. „Der braucht nur ein bisschen Zuwendung und Pflege.“
    Und das bringt mich auf eine Idee, die ich mir für später vormerke. Ich sage Justine, dass sie sich nehmen kann, was immer sie braucht, zeige ihr den Weg zu dem eisigen Badezimmer mit seiner 50er-Jahre-Ausstattung und dem miserablen Wasserdruck, dann ziehe ich mich in Mr s Neills Zimmer zurück und setze mich auf meinen gewohnten Platz.
    Ich wache bis spät in die Nacht bei Lelas Mutter, die langsam immer schwächer wird. Oder bilde ich mir das nur ein, denn als ich die Augen öffne, ist es bereits Morgen. Freitagmorgen.
    Ryan kommt in ein paar Stunden an , denke ich und bin plötzlich hellwach, jeder einzelne Nerv vibriert in meinem Körper.
    Ich sage leise: „Mum?“
    Mr s Neill antwortet nicht, und ich berühre ihr Gesicht mit einer Hand und spüre, dass sie nicht mehr hören und sprechen wird. Ihre gewichtlose Seele löst sich bereits von ihrem Körper. Jetzt dauert es nicht mehr lange, bis Azrael wiederkommt, um die Trennung von Körper und Seele zu vollenden.
    Als Erstes rufe ich das Pflegeteam an und bitte sie, jemanden herzuschicken.
    „Ich glaube, heute ist es so weit“, sage ich leise.
    „Ich schicke gleich Zoe rüber“, verspricht die Frau am anderen Ende freundlich. Sie zweifelt keine Sekunde lang an meinen Worten. „Georgia löst sie dann zur gewohnten Zeit ab. Falls sie gebraucht wird.“
    Obwohl es erst 5.3 5 Uhr ist, ist Justine schon wach und sofort bereit, bei Mr s Neill zu bleiben, solange ich im Green Lantern arbeite.
    „Ich muss nur noch schnell was bei der Arbeit erledigen. Gegen Mittag bin ich zurück und dann kannst du los“, sage ich.
    „Ich hab’s nicht eilig“, erwidert Justine. Mit dem flauschigen Morgenmantel, in den sie sich eingewickelt hat, und den Hausschuhen, die wie Comicfiguren aussehen, wirkt sie jünger und weicher, Welten entfernt von der verweinten, nervösen Frau, die ich im Taxi nach Hause begleitet habe. „Ich wollte heute sowieso in dieser Drecksklitsche kündige n – ich muss nur irgendwann hingehen und meinen Anteil am Trinkgeld von gestern abholen und den Lohn, den sie mir noch schulden. Ab heute bin ich also arbeitslos. Vielleicht höre ich auf M r Dimowskis Rat und suche mir ’nen anständigen Job.“ Sie lacht leise. „Vielleicht nehme ich sogar sein Angebot an und arbeite im Green Lantern .“
    „Meinst du das ernst?“, frage ich erfreut und schenke ihr ein strahlendes Lächeln. „Ungeschickter als ich kannst du dich auch nicht anstellen. Und du könntest Reggie mal zeigen, wer der Boss ist.“
    Justine kichert. „Ich wär da im Nu die Obermackerin, verlass dich drauf. Reggie ist lammfromm, verglichen mit den abgebrühten Schlampen, mit denen ich sonst zusammenarbeite.“
    Ihr Lächeln erlischt, und wahrscheinlich ist ihr nicht bewusst, wie sehnsüchtig ihre Stimme klingt: „Und dann wird er mich wohl oder übel auch mal beachten müssen, dieser Sulaiman, statt immer nur wegzuschauen, wenn ich in seine Nähe komm e …“
    „Gestern hat er nicht weggeschaut“, wende ich ein.
    Justine senkt den Blick und scharrt mit den Füßen auf dem abgetretenen Teppich herum. „Nein, hat er nicht, das stimmt“, murmelt sie.
    Dann geht sie unter die Dusche. Um mich abzulenken, schmiere ich ihr in der Küche einen Marmeladentoast, aber mein Nervenflattern lässt nicht nach. Heute Morgen sind meine Sinne geschärft, alles erscheint mir heller, schöner, wie neu geschaffen nur für mich. Selbst die Stäubchen, die in der Luft in dem sonnigen, stillen Raum schweben, gefallen mir. Wie winzige geflügelte Geschöpfe sehen sie aus.
    Ich kann es kaum erwarten, hier wegzukommen. Als die Türklingel Schwester Zoes Ankunft ankündigt, springe ich vor Schreck fast an die Decke. Ich höre, wie Justine an die Tür geht, und lege das Brot, das ich ihr gemacht habe, sorgfältig in die Mitte des Küchentischs. Ich ertappe mich dabei, wie ich Lelas Hände an dem knöchellangen schwarzen Stufenrock abwische, den ich heute für sie ausgewählt habe, dazu ein hauchdünnes, langärmliges schwarzes T-Shirt im Empire-Stil. Nervosität. Ich dachte immer, ich sei dagegen gefeit. Aber heute fühle ich mich seltsam fehlbar, und ich bin überzeugt, dass sich meine Kribbeligkeit in Lelas Gesicht widerspiegelt.
    Ich gehe wieder in Mr s Neills Schlafzimmer und die Schwester rollt einen schweren Koffer mit medizinischer Ausrüstung herein. Sie wirft einen kurzen Blick auf Lelas Mum und sagt leise: „Soll ich die Dosis

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