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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
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gleichmütiges Lächeln auf und antworte: »Okay.«
    Hätten wir doch die teuren, aber so hübschen Hausboote genommen, die auf den Postern der Touri-Fang-Buden ausgehängt waren.
    Anderthalb Stunden sitzen wir in der Hitze – umringt von Menschen, die alles über uns erfahren wollen. Erlösung kommt schließlich in Form eines wackligen Kahns. Und ganz plötzlich taucht aus dem Nirgendwo eine Horde Einheimischer auf, die uns fast überrennt, uns dabei aber mit auf das Boot drängt, das eigentlich nur für kleinere Menschengruppen gemacht ist. Die Fähre legt sofort ab, der ganze Prozess war eine Sache von Sekunden, und ich frage mich etwas benommen, wie der Verkehr hier funktioniert. Wieso sind die anderen Passagiere exakt im richtigen Moment erschienen? Haben sie es im Blut? Schließlich müsste es doch – rein theoretisch – auch mal passieren, dass die Fähre pünktlich, zu den ausgeschriebenen Zeiten abfährt. Ein kleines Wunder.
    Dicht an dicht gedrängt tuckern wir dahin. Vorbei an Frachtern, die bis oben hin mit Kokosnüssen gefüllt sind, mit Blick auf die Fischerbaracken und die Netze, geht es schließlich in die Kanäle, die mich daran erinnern, wie ich mir die Tropen immer vorgestellt habe. Schmale Wassergassen und alles verschlingendes Grün. Links und rechts biegen sich die Palmen, wir sehen Frauen, die im Wasser waschen, und vor uns überwuchern die Wasserhyazinthen zerfallene Kutter. Es ist so wunderbar wildromantisch – die Menschen, die man von Weitem aus Kokosfasern lange Fäden spinnen sieht, die emsigen Fischer. Ich würde nicht so weit gehen, davon als wunderbar »authentisch« zu schwärmen, schließlich sind wir zu Hause mit unseren Elektrogeräten doch auch authentisch, und ich glaube, dass die Menschen, die ich so begeistert beobachte, sehr viel dafür geben würden, in meiner authentischen Welt zu leben.
    Juli neben mir schweigt und blickt ebenso andächtig wie ich auf das Wasser und das viele Grün. Die friedliche Stille währt nicht lange.
    Â»Bei den Unmengen an Fäkalien und Chemikalien, die hier ins Wasser geleitet werden, sind die Krokodile und Fische längst ausgestorben«, gibt unser wandelnder Reiseführer zum Besten
    Â»Igitt«, quietscht Juli, reißt ihm seine Lektüre aus der Hand und wirft sie über Bord. Eigentlich müsste das Büchlein jetzt auf dem schuppigen Kopf eines fröhlich im Wasser planschenden Alligators landen, der die Miesmacherei des Reiseführers Lügen straft. Passiert natürlich nicht. Und ich muss zugeben, dass das Wasser tatsächlich etwas brackig aussieht.
    Als Stefan sich von dem Schock erholt hat, gibt er ein lautes, erbostes »Hey« von sich, macht aber leider keine Anstalten über Bord zu springen, um das Buch zu retten. Na gut, irgendwie habe ich die nervige Quasselstrippe ja auch ins Herz geschlossen und würde mich wahrscheinlich gezwungen sehen hinterherzuspringen, um wiederum ihn zu retten. Anhand meiner Gedankenschleifen merke ich, dass ich langsam nervös werde. Während Juli und Stefan bald darauf wieder in einträchtiger Zen-Stimmung aufs Wasser und die umliegenden kleinen Dörfer starren, versuche ich, unser Ziel zu vergessen, schaue aber immer wieder besorgt auf die Uhr. Wir werden nicht einmal mehr eine Stunde unterwegs sein. Was passiert, wenn ich meinem Vater plötzlich gegenüberstehe? Warum nur habe ich ihn nicht wie Stefan einfach im Internet gesucht? Ich hätte ihm eine E-Mail schreiben können: »Kommst du zu meiner Hochzeit?« Und er hätte mit »Ja« oder »Nein« oder gar nicht antworten können. Das wäre so viel einfacher gewesen. Ich bin nicht einmal darauf gekommen, dass er immer – wie inzwischen fast jeder Mensch – nur einen Klick weit entfernt ist.
    Ich schimpfe mich innerlich einen Feigling. Den simplen Mausklick hätte ich sicher nie über mich gebracht. Wir haben so viel Distanz zu überbrücken, und ich habe das Gefühl, dass diese Reise vielleicht der erste Schritt ist. Vielleicht brauche ich das Gefühl, den räumlichen Abstand überwunden zu haben und das hier als Abenteuer zu sehen. Aber was erwarte ich? Dass er mich begeistert in seine Arme schließt? Und würde mir das gefallen – oder ist er mir inzwischen zu fremd? Werden wir am Ende eine Vater-Tochter-Beziehung heucheln, die es nie gegeben hat? Damit er aus

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