Mich gibt s ubrigens auch fur immer
Und auf ihre Batik-Art wirken sie mindestens so gestrig und spieÃig, wie die von ihnen verachtete Eigenheim-und-Gartenzwerg-Fraktion. Und weniger Zwängen sind sie auch nicht ausgesetzt. Nur wird hier eben der mörderische Druck, das Hausdach in der zum Rest passenden Farbe zu streichen, durch den nicht minder heftigen Druck zur totalen Freiheit des Ichs ersetzt. Während ich noch zweifle, hat Aja, geborener Stefan, in Aman einen würdigen Ersatzvater gefunden. Er löchert ihn mit Fragen und flippt bei jeder Antwort aus vor Freude.
»Das Essen schmeckt echt lecker«, sagt Juli begeistert und macht sich lustvoll über ihr Kokosnuss-Curry her. Das bringt ihr einen vernichtenden Blick von der molligen Frau ihr gegenüber ein. Verständlich, denn in ihrem tiefen Teller schwappt etwas, das wie klares Wasser aussieht. Sie umklammert ihre Gabel, als wolle sie sie nach uns werfen. Aber was können wir dafür, wenn sie nur Wasser isst. Vielleicht würde es ihr leichter fallen, wenn sie es mit dem Löffel statt mit der Gabel versuchen würde?
Ich suche ihren Blick und tippe hilfsbereit mit dem Finger auf meinen Löffel, als sie zu mir hinsieht. Offenbar versteht sie meinen Wink nicht, sondern denkt, ich wolle mich über sie lustig machen. Dass Juli in ihr Essen prustet, verbessert die Situation auch nicht.
Mit einem vorsichtigen Blick in Richtung meines Vaters reiÃt die Mollige sich zusammen und flötet: »Alles bestens, vielen Dank.« Aber ihr Blick ist immer noch mörderisch.
»Was habe ich gemacht?«, flüstere ich Aman zu, der zwischen Stefan und mir sitzt und einen ganz guten Ãberblick über das Campleben zu haben scheint.
»Mach dir nichts draus. Subhira ist noch ganz frisch hier. Derzeit lernt sie zwei wichtige Dinge auf einmal: MäÃigung, um ihre Völlerei in den Griff zu kriegen und das Unmögliche nicht erzwingen zu wollen. Sie war immer gierig und will von allem immer mehr. Deswegen bekommt sie Wasser und eine Gabel. Wenn sie deswegen irgendwann völlig ausflippt, ist ihre Gefühlswelt weit geöffnet â und wir haben bessere Chancen, der Ursache für ihr Verhalten auf den Grund zu gehen. Und dann werden wir wissen, wer sie ist und was sie braucht. Ich tippe, sie wird eine Führer-Künstlerin.«
Juli prustet schon wieder. »Eine was?«
Misstrauisch schaut die Mollige in unsere Richtung.
»In der Hütte werdet ihr Tests machen, die eure Kastenzugehörigkeit zeigen«, erklärt Aman uns geduldig.
»Kasten im Sinne von Pariern, Brahmanen und so weiter?«, frage ich entgeistert.
»Nein, ich spreche von unseren Kasten. In unserem System gibt es keine Hierarchie. Jeder ist gleichwertig. Wir unterscheiden nur fünf Grundtypen von Menschen. Manchmal sind aber auch zwei Seiten gleich stark ausgeprägt wie bei ihr.«
»Das kapiere ich nicht. Ich meine, wenn es nur fünf Grundtypen gibt, warum gibt es dann so viele verschiedene Namen?«
Aman seufzt schwer, dann ringt er sich doch noch zu einer Antwort durch. »Im Kern sind die Menschen gar nicht so unterschiedlich. Es sind Grundbedürfnisse, die uns antreiben. Und die Kastenzugehörigkeit wird dadurch bestimmt, was den Menschen im Kern ausmacht. Der Name hingegen bezeichnet die gerade wichtigsten Punkte für den Einzelnen â und die können sehr verschieden sein. Letztlich ist die Sache mit dem Namen auch gar nicht wichtig. Das soll uns nur zeigen, dass eine permanente Wandlung möglich ist und dass der Name nicht ist, was der Mensch ist.«
Mein Kopf fühlt sich etwas benebelt an. Zwischendurch erscheint es mir nämlich fast einleuchtend, was Aman da erklärt.
»Was bist denn du?«, lenke ich ab.
»Ein Krieger-Heiler.«
»Ist das nicht widersprüchlich. Ich meine, der eine tötet Menschen, der andere flickt sie zusammen?«
»Das hätte ich früher auch gedacht«, Aman lacht. »Ich war sehr jähzornig und aggressiv. Meinen Heiler-Anteil habe ich erst hier entdeckt, ausgerechnet in meinem Kalarippayat-Kurs.«
Ich schaue in ratlos an. »Das ist eine indische Kampfkunst. Es ging darum, die Energie und Kraft, die in meiner Aggressivität liegt, gleichzeitig einzusetzen und zu kontrollieren. Es ist Teil dieser Therapie, dass man lernt, die Verletzungen, die dabei entstehen, auch wieder zu heilen. Immer, wenn ich mich darangemacht habe, eine Verstauchung oder Ãhnliches zu kurieren, hat mich
Weitere Kostenlose Bücher