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Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Mich gibt s ubrigens auch fur immer

Titel: Mich gibt s ubrigens auch fur immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seidel Jana
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Karten reagiert.«
    Â»Ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Irgendwie wollte ich das alles vergessen.«
    Â»Es war nie besonders lustig bei uns zu Hause, was?«
    Ich schüttele den Kopf.
    Â»Es tut mir leid«, sagt er schlicht. »Tut mir leid, ich weiß, ich wiederhole mich immer wieder, aber ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll.«
    In hilfloser Verlegenheit schaut er über meine Schulter hinweg, ich meide auch jeden Blickkontakt, als ich sage: »Ich dachte, du würdest mich vielleicht hassen, wenn du es wüsstest.«
    Er sieht so verdutzt drein, dass ich beinahe kichern muss. Ich erzähle ihm von dem Plüschhund, den Mama nur meinetwegen in dem Kaufhaus besorgt hat und wie ich ihn im Garten verbuddelt habe, um sämtliche Spuren zu beseitigen.
    Er starrt mich lange wortlos an, dann sackt sein Körper in sich zusammen und macht ganz merkwürdige Geräusche. Ein bisschen klingt es nach einem verzweifelten, hysterischen Lachen. Er schlägt die Hände vors Gesicht, und sein Körper wird von heftigen Zuckungen geschüttelt. Ich fürchte, er dreht durch, bin aber auch ein wenig sauer, weil er nichts Hilfreiches von sich gibt. Seit sechzehn Jahren schleppe ich nun mein dreckiges Geheimnis mit mir rum. Ich habe es so geheim gehalten, dass ich es die meiste Zeit selbst nicht mehr wusste. Da muss man sich doch fragen, ob ich nicht vielleicht jedes Mal, wenn ich zornig an meinen Vater dachte, nicht vor allem wütend auf mich selbst war. Es ist mir nicht leichtgefallen, das auszusprechen. Ich erwarte ja nun keine anschwellenden Geigenklänge oder eine großartige Absolution. Aber doch vielleicht ein wenig andächtige Stille und Respekt vor dem Mut, den es mich gekostet hat. Endlich hebt er seinen Kopf. Die Tränen laufen ihm nur so runter. Dann reißt er mich kurz an sich, löst sich aber sofort wieder von mir, als er merkt, dass ich mich versteife.
    Â»Verrückt«, wiederholt er immer wieder. »Verrückt.«
    Kann man wohl sagen.
    Â»Tanja, dir ist doch klar, dass das absoluter Blödsinn ist? So ganz tief in deinem Innern weißt du das, oder?«, fährt er fort. Jetzt schaue ich verzweifelt auf den Boden. Im Gegenteil, ganz tief im Innern saß mein Schuldgefühl und hat sich dort so breitgemacht, dass für Zweifel kein Platz mehr blieb.
    Ich schüttele den Kopf und schäme mich, dass ich nun auch Tränen in den Augen habe.
    Er kneift seine Augen zusammen und sieht dabei fast ein wenig zornig aus. »Bitte, zermartere dich nicht mit so einem Schwachsinn. Ich fühle mich so schuldig. Nicht nur, weil ich dich im Stich gelassen habe, sondern weil ich dich auch mit diesem Gefühl allein gelassen habe. Das ist schrecklich.«
    Jetzt weiß ich nicht, was ich sagen soll.
    Â»Bitte, vergiss das. Du hast keine Schuld am Tod deiner Mutter, ganz bestimmt nicht. Ich habe mich nicht genügend um dich gekümmert. Aber du warst so still, hast mich immer so ruhig angeguckt, dass mir mulmig wurde und ich das Gefühl hatte, du kämst mit der Situation viel besser klar als ich. Ich wusste einfach nicht, wie man allein eine Familie führt. Ich brauchte deine Mutter dafür. Ich habe sie so sehr geliebt. So sehr, dass ich danach nicht mehr klar denken oder wirklich etwas empfinden konnte. Verstehst du das?«
    Ein bisschen ist es eine Ohrfeige, dass er nicht einmal mehr etwas für seine Tochter übrighatte. Aber doch, ich verstehe ihn. Wenn Hrithik etwas zustieße … Mit einem Mal ist alles egal, der ganze Blödsinn mit Melanie und der Streit um meinen Job, das alles ändert doch am Ende hoffentlich nichts an unseren Gefühlen, oder? Ich habe jetzt die Wahl, ich kann mich an die Vergangenheit klammern, an die vermeintliche Ablehnung meinesVaters, an den trotzigen Wunsch, es ihm zumindest ein klein wenig schwerzumachen. Schließlich war er doch der Erwachsene. Er hätte sich im Griff haben sollen. Aber jetzt bin ich auch erwachsen und bereit einzugestehen, dass auch Väter menschlich sind. Dass meiner einfach mit einer Situation schlecht umgegangen ist, so wie ich auch mit einigen Situationen in der letzten Zeit schlecht umgegangen bin. Ich kann meinen Vater auf Augenhöhe betrachten, und das ist eigentlich ein gutes Gefühl. Es ist Zeit loszulassen. Außerdem will ich ehrlich gesagt, dass dieses peinliche Gespräch ganz schnell wieder vorbei ist. Deswegen baue ich ihm jetzt einfach mal die

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