Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
den
Planeten für das Labyrinth des Wahnsinns. Sie
glaubte, mehr Macht durch das Labyrinth erringen zu
müssen, um in die Vergangenheit zu reisen. Sie materialisierte vor dem Labyrinth wie ein Kind, das
nach Hause zurückkehrte, um die Zustimmung der
Eltern einzuholen, aber das Labyrinth ignorierte sie.
Sie rief nach ihm, aber das Labyrinth wies sie ab.
Nirgendwo fand sie einen Zugang. Sie erblickte nicht
mal das eigene Spiegelbild auf den glänzenden kalten Außenflächen des Labyrinths, und das beunruhigte sie auf einer tiefen, urwüchsigen Ebene. Sie
schrie dem Labyrinth Beschimpfungen zu und versuchte sich den Zugang zu erzwingen, griff es mit all
ihrer Macht an, gebündelt durch einen Verstand, der
vor lauter Trauer und Grauen schon halb verrückt
war, und sie entrang vom Labyrinth schließlich durch
die schiere Wucht ihres verstörten Willens ungeformte und machtvolle Kräfte. Tränen flossen ihr
über die Wangen, aber sie spürte sie nicht mehr. Sie
ließ die menschliche Existenz aus eigenem Willen
hinter sich, wiewohl sie aus dem menschlichsten aller Beweggründe handelte. Macht brannte in ihr, und
wie der Phönix tauchte sie hell glänzend aus der
Asche des alten Selbstes auf.
Und so ließ sie die Zeit fahren und stürzte sich in
die Vergangenheit, trat die lange Reise an, die sie in
den Schrecken umwandeln würde.
Owen verarbeitete diese Erinnerung, während er
seine Geschwindigkeit immer mehr abbremste, und
tauchte endlich an genau der Stelle wieder in Raum
und Zeit auf, die sich zuvor Hazel ausgesucht hatte.
Er fragte sich, was er vorfinden würde und warum
sie sich ausgerechnet diese Stelle ausgesucht hatte.
Zu Anfang existierte das Erste Imperium. Es war
wild und herrlich. Es war nicht von Bestand.
Owen materialisierte im Weltraum auf einer hohen
Umlaufbahn über dem blauen und grauen Planeten,
den man zu Owens Zeit Golgatha nannte. Seinen
Aufenthaltsort kannte er auf die gleiche Art wie die
Tatsache, dass er fast eintausend Jahre tief in die
Vergangenheit vorgestoßen war. Die Sterne umkreisten ihn nicht mehr und standen feierlich funkelnd im
All. Er hätte sich erschöpft fühlen sollen wie bei seiner ersten Zeitreise, als ihm die Neugeschaffenen
nachsetzten, aber stattdessen empfand er ein ...
Hochgefühl. Er blickte sich breit grinsend um im eisigen Vakuum des Alls, das keinerlei Macht über ihn
hatte. Er fühlte sich ganz entspannt und behaglich,
obwohl er keinerlei Bedürfnis verspürte zu atmen.
Wie es schien, hatte seine eigene Umwandlung eingesetzt. Er kontrollierte den Puls am Handgelenk und
stellte erleichtert fest, dass ihm wenigstens das bislang verblieb.
Golgatha drehte sich langsam unter ihm, aber es
sah ganz anders aus, als er es kannte. Auf der blauen
und grauen Oberfläche leuchteten prachtvolle Städte
im Dunkeln, gewaltig wie ganze Länder und so vielschichtig geformt wie Schneeflocken. Sie leuchteten
so hell in allen Farben des Regenbogens, dass es
schien, als wäre der ganze Planet mit kostbaren Edelsteinen besetzt. Auroren aus glatten, beruhigenden
Farben umhüllten die Welt, als wollten sie sie vor
jedem Ungemach schützen.
Andererseits konnte Owen nicht übersehen, dass
der Planet von Weltraumschrott jeder Art umgeben
war. Satelliten in allen Formen und Größen, eher
nach funktionalen als nach ästhetischen Gesichtspunkten konstruiert, bildeten einen Metallring
um Golgatha. Gewaltige Raumdocks bargen halb
fertige Sternenschiffe, die im Orbit gebaut wurden,
weil sie zu groß waren, um jemals vom Erdboden
abzuheben. Und wohin Owen auch blickte, kamen
und gingen Sternenschiffe zu Tausenden und Hunderttausenden, und sie zuckten an ihm vorbei wie
flüchtige Gedanken oder Absichten. Golgatha hatte
nie so viel Verkehr erlebt, nicht mal auf dem Höhepunkt seiner Macht. Owen konzentrierte sich auf ein
paar zufällig ausgewählte Schiffe und studierte sie
gründlich, aber keines von ihnen ähnelte denen, womit er vertraut war.
Er bemerkte, dass er nach wie vor nicht Luft zu
holen brauchte. Wie stark hatte er sich schon verändert? War er dazu verdammt, sich weiter zu verwandeln, bis aus ihm letztlich ein weiterer Schrecken
geworden war? Er fühlte sich stärker, mächtiger, aber
immer noch ... als Mensch. Und doch: falls er sich
verwandelte, hatte er dann irgendeine Chance, das
Ausmaß der Veränderungen von innen heraus zu begreifen oder zu würdigen? Bemerkte er es überhaupt,
wenn er seiner menschlichen Natur verlustig
Weitere Kostenlose Bücher